In einem komplexen Umfeld das richtige Maß zu finden erscheint mir als eine der großen Herausforderungen in der Softwareentwicklung. Die Entscheidung, wann Wissen ausreicht, muss immer wieder aufs Neue gefällt werden und ist ausschlaggebend für ein effizientes Arbeiten.
In meiner Arbeit als Scrum Master, Teamleiter und agiler Coach stellt sich für Teams immer wieder die Frage: Wie detailliert müssen Anforderungen formuliert und wie sehr muss welches Wissen wie verteilt sein. Die wenig zufriedenstellende aber aus meiner Sicht einzig richtige Antwort ist: Es kommt darauf an. Es kommt darauf an, wie wahrscheinlich meine Annahme der Realität entspricht und das hängt von Erfahrung und Wissen ab.
Die Kunst ist also abschätzen zu können, wann man Dinge weiß und und wann man nicht ausreichend Wissen hat und durch rechtzeitiges Fragen möglicherweise unnötige Aufwände vermeidet. Das bezieht sich sowohl auf technische Fragen innerhalb des Entwicklungsteam, als auch auf fachliche Fragen an den Produktverantwortlichen oder den Kunden bzw. Endbenutzer.
Immer wieder habe ich Produktverantwortliche erlebt, die sich als Experte verstanden und den (End-)Kunden zu wenig befragt haben. Oft erlebe ich Mitarbeiter, die sich in einer Lösungsfindung verrannt haben aber lieber Stunden in die eigene Lösungsfindung investieren, als nachzufragen. Abhängig vom Lerneffekt kann das sinnvoll sein, steht aber oft nicht in einem guten Kosten Nutzen Verhältnis. Genau so oft erlebe ich Mitarbeiter, die etwas aus fachlicher Sicht nicht genau wissen und Annahmen treffen und dann Dinge entwickeln, die so nicht gewünscht oder nützlich sind. Es kommt aber auch vor, dass Mitarbeiter sich zu wenig mit der Lösungsfindung beschäftigen und zu schnell Kollegen fragen und sie dabei in ihrer Arbeit unterbrechen. Eine Blaupause, bis zu welchem Punkt man selbst sucht und wann man besser fragt, die gibt es nicht – klar ist nur: Annahmen zu treffen ist gefährlich.
Wenn man durch eigene Recherche im Internet und eigenes Ausprobieren und Lernen nicht schnell genug weiter kommt, dann bleibt als einzige Lösung eine frühe und kontinuierliche Kommunikation mit dem Ziel, aus Annahmen Wissen zu machen. Zu oft beschränkt man sich auf Annahmen in einem Umfeld, in dem man zu wenig weiß um sich darauf verlassen zu können. Die Umsetzung von Aufgaben auf der Basis von Annahmen ist aber kritisch, weil zu schnell viel höhere Aufwände entstehen, als wenn die Annahmen vorab verifiziert worden wäre.
Bevor unnötig Aufwände entstehen für auf Annahmen basierenden Lösungen, die zu oft der Realität nicht entsprechen empfehle ich dringend: Frag den, der es weiß (oder den, der es am wahrscheinlichsten wissen kann) um aus deiner Annahme Wissen zu machen und damit das Richtige zu entwickeln und unnötige Arbeit zu vermeiden. Lass ganz den agilen Ideen folgend andere frühzeitig auf den aktuellen Stand deiner Arbeit drauf gucken, um bei getroffenen Annahmen oder gar vermeintlichem Wissen schnell zu sehen, ob sie mit der Realität überein stimmen oder nicht. Nur so ist effizientes Arbeiten und eine hohe Geschwindigkeit im finden der richtigen Lösung möglich.
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