Effizienz ist nicht messbar

In meinem älteren Artikel Nicht alles ist messbar gehe ich auf die Schwierigkeit ein, Effizienz in Teams messen zu wollen. Nach einigen Überlegungen gehe ich noch einen Schritt weiter und sage: Effizienz zu messen hat nicht nur keinen Wert. Effizienz alleine ist gar nicht messbar!


Die Frage, ob ein Team (oder eine Organisation oder ein Mitarbeiter) effizient ist, ist grundsätzlich falsch. Man kann nicht effizient sein, bestenfalls effizient arbeiten und so wie bei vielen anderen Adjektiven liegt die Einschätzung im Auge des Betrachters und kann nur im Verhältnis zu etwas Anderem betrachtet werden. Was für den einen effizientes Arbeiten bedeutet, ist für den anderen hochgradig ineffizient. Ob etwas also effizient umgesetzt wurde, ist eine subjektive Wahrnehmung und damit auch bestenfalls subjektiv messbar. Und wie ist es mit dem Verhältnis zu vorher gemessenen Werten – also die Betrachtung einer Veränderung von Effizienz? Voraussetzung hierfür wäre eine stabile Umgebung, die wir in komplexem Umfeld auch nicht haben.

Wenn Effektivität bedeutet, das Richtige zu tun und Effizienz, das dann richtig zu tun, dann ist Effizienz nicht allgemeingültig und damit für sich alleine stehend nicht messbar. In der Informatik beschreibt Effizienz die Sparsamkeit (zum Beispiel eines Algorithmus). In einer wirtschaftlichen Betrachtung geht es um ein gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis. Kann ich ein gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis messen, ohne den Nutzen klarer zu definieren? Hat die Betrachtung von Sparsamkeit einen Wert, wenn ich den Nutzen nicht berücksichtigen?

Wichtiger Bestandteil agiler Methoden ist, Ergebnisse zu messen und davon eine kontinuierliche Verbesserung abzuleiten. Was also kann und sollte ich messen, wenn es nicht die Effizienz ist?

Effektivität statt Effizienz

Effektivität beschreibt den Wirkungsgrad von etwas – also im weitesten Sinne den Nutzen. Bei klar formulierten Zielen kann und sollte die Wirksamkeit (Effektivität) einer Maßnahme gemessen werden. Die Wirksamkeit kann dann der Investition für die Erreichung der Maßnahme gegenüber gestellt werden. Je höher die Wirkung einer Maßnahme gegenüber der dafür eingesetzten Investition ist, um so effizienter wurde die Maßnahme erreicht. Es geht also nicht um die Effizienz einzelner Mitarbeiter, Teams oder Organisationen sondern um eine möglichst kostengünstige Zielerreichung. Aber ist das in der Regel überhaupt der Wunsch?

Meiner Erfahrung wird oft “Effizienz” mit “Geschwindigkeit” verwechselt. Die typische Messung der Velocity in Scrum sagt wenig über die Effizienz aus, sondern lediglich wie viel ein Team in einem festen Zeitfenster schafft. Wenn es mehr schafft, dann kann das an einem effizienten Vorgehen liegen, aber auch ganz andere Gründe haben. Der Ruf nach “mehr Effizienz” kommt oft durch eine langen Wunschliste, eine nicht ausreichende Transparenz über die Arbeit des Teams oder individuell nicht zufrieden stellende und nicht abgestimmte Priorisierung.

Oft ist ein gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis nachgelagert hinter dem eigentlichen Wunsch, in gleicher Zeit möglichst viel zu schaffen. Möglichst viel schaffen klingt schon nicht effizient, ist es häufig auch nicht. (Ein Motor, der möglichst viel schafft – also viel Power hat, hohe Lasten bewegen oder hohe Geschwindigkeiten erzielen kann, ist selten effizient.) Geht es um die Menge der Maßnahmen oder um deren Wirksamkeit? Effizient wäre es doch, nicht möglichst viel zu schaffen, sondern mit möglichst wenig einen möglichst hohen Wirkungsgrad zu erreichen.

Fazit

Effizienz lässt sich in komplexen Projekten weder objektiv noch verlässlich messen und auch nicht außerhalb des Kontexts bewerten. Auch die Veränderung von Effizienz – beispielsweise durch das Messen einer Velocity – kann nicht außerhalb des Kontexts betrachtet werden. Sie sollte in Verbindung zum Wirkungsgrad – also der Effektivität – betrachtet werden. Dazu muss zunächst die Effektivität von Maßnahmen gemessen werden. Hier liegt der viel größere Wert von Messungen.

In der Regel geht es beim Ruf nach “mehr Effizienz” auch gar nicht darum, mit möglichst wenig möglichst viel zu erreichen, sondern entweder schlichtweg um “mehr” oder “schnellere” oder “qualitativ hochwertigere” Ergebnisse oder um mehrere dieser Wünsche gleichzeitig, was durchaus widersprüchlich sein kann.

Bevor der Versuch unternommen wird, die Effizienz in Zahlen für das Management auszudrücken, sollte das eigentliche Ziel betrachtet und Messmethoden hierfür gefunden werden. Viel wichtiger für den Erfolg ist dabei die Betrachtung und Messung der Effektivität getreu dem Motto: “Es bringt keinen Erfolg, sehr richtig die falschen Dinge zu tun”. Bei der subjektiven Optimierung hin zu einer möglichst effizienten Vorgehensweise steckt der Teufel im Detail und hier kann und sollte das Team eigene konkrete Metriken anwenden, um zielgerichtet an der kontinuierlichen Verbesserung zu arbeiten. Diese Metriken müssen transparent zur Diskussion einladen, aber nicht zwingend für alle außerhalb des Teams ohne weitere Erklärungen verständlich sein.

(Das verwendete Titelbild ist von Elias Levy – vielen Dank!)

About the author

Daniel Dubbel

Agility Master | COO, HOUSE OF MOBILE @ DB Systel | Deutsche Bahn
Agile Transformation & Digital Strategy Expert | P&L Leader | Driving Growth through Innovation & Organizational Change | C-Level Advisor

By Daniel Dubbel

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