Feedback! Ein Wort, das in der modernen Arbeitswelt so omnipräsent ist wie der obligatorische Kaffee am Morgen. Aber mal ehrlich: Wie oft hat Feedback wirklich die erhoffte Wirkung? Häufig bringt es mehr Frust als Fortschritt, mehr Unsicherheit als Inspiration. Und da Jahresanfang die Zeit der Jahresfeedbackgespräche ist, will ich ein paar durchaus kritische Gedanken loswerden und einen effektiven Ansatz vorzustellen.
Warum Feedback oft nicht funktioniert
Feedback ist in der Regel eher ein Rückspiegel. Es zeigt uns, was hinter uns liegt – häufig mit Fokus auf eher kritische Dinge wie Fehler, Versäumnisse oder Schwächen. Und wer will ständig auf die Kratzer im eigenen Lack hingewiesen werden? Noch schlimmer wird es, wenn Feedback unaufgefordert kommt oder in steife Gesprächssettings verpackt ist. Ist das eine motivierende Arbeitsumgebung? Oder setzt es viele nicht eher unter Druck. Und was ist dann das Ergebnis? Abwehrhaltung, Frustration oder zu einem Ohr rein und zum anderen wieder raus. Bereits im Oktober 2019 habe ich formuliert, was sich besser eignet als Feeback,
Warum kritisches Feedback trotzdem wichtig ist
Das heißt nicht, dass kritisches Feedback keinen Platz haben sollte, im Gegenteil. Viel zu häufig erlebe ich harmoniebesoffene Umgebungen, in denen man Kritik unter den Teppich kehrt. Mehr als Mittelmäßigkeit ist in solchen Unternehmen kaum zu erwarten. Kritische Rückmeldungen sind essenziell, um blinde Flecken aufzudecken. Es ist ein wichtiger Bestandteil für die Weiterentwicklung von Menschen, Teams und damit auch ganzen Unternehmen. Klare Rückmeldungen sind wichtige Grundlage, um Verhalten zu reflektieren. Und das ist eine wichtige Grundlage, um es anpassen und sich (gemeinsam) verbessern zu können. Um nicht auf Ablehnung zu stoßen ist es wichtig, wie dieses Feedback gegeben wird. Kritik sollte sachlich, konstruktiv und immer mit einer Lösungsperspektive verbunden sein. Ein Beispiel:
- Typisches Feedback: “Das war falsch, so kannst du das nicht machen.”
- Konstruktives Feedback: “Mir ist aufgefallen, dass dieser Ansatz nicht die gewünschten Ergebnisse gebracht hat. Lass uns gemeinsam schauen, wie wir das beim nächsten Mal besser machen können.”
Kommunikation ist unwahrscheinlich
Eine Herausforderung dabei: Kommunikation ist unwahrscheinlich. Systemtheoretiker Niklas Luhmann argumentiert, dass es zu viele Fehlerquellen gibt, die das gegenseitige Verständnis erschweren. Verhaltensforscher Konrad Lorenz ging mit der Aussage weiter in die Tiefe und formulierte mögliche Störungen in Kommunikation. Er machte deutlich, wie viele Hürden zwischen dem Gedachten und dem tatsächlich Verstandenen und Umgesetzten liegen können. Er formulierte:
- Gedacht ist nicht gesagt
- Gesagt ist nicht gehört
- Gehört ist nicht verstanden
- Verstanden ist nicht gekonnt
- Gekonnt ist nicht gewollt / einverstanden
- Einverstanden ist nicht angewandt
- Angewandt ist nicht beibehalten
Es ist also mehr als unwahrscheinlich, dass eine Botschaft eines Senders genau so beim Empfänger ankommt, wie beabsichtigt.
Kommunikation ist unwahrscheinlich. Sie ist unwahrscheinlich, obwohl wir sie jeden Tag erleben, praktizieren und ohne sie nicht leben würden.
Niklas Luhmann
Dabei wird es um so wichtiger sich bewusst zu sein, dass nicht nur ausgesprochenes Feedback eine wertvolle Rückmeldung ist. Denn noch relevanter als das, was Menschen sagen ist das, was sie tun. In dieser Resonanz liegen häufig wesentlich konkretere und ehrlichere Rückmeldungen, als in den in Worten ausgedrückten Aussagen – auch wenn sie noch mehr der Interpretation unterliegen, als ausgesprochenes Feedback. Aber wer kennt die Situation nicht, in der die Frage “Ist das okay für dich?” mit “Ja, klar!” beantwortet wird und das Verhalten im Anschluss völlig andere Bände spricht?
Kommunikation besteht aus viel mehr, als nur aus gesprochenen Worten und bleibt in seiner Gänze Nahtstelle und Kitt zwischenmenschlicher Beziehungen. Verhalten und auch gesprochene Worte sind dabei gleichzeitig große Quellen von Missverständnissen, Konflikten und Frust. Betrachtet man gesprochene Worte als wichtiges Kommunikationsmittel, dann bieten Ansätze wie Gewaltfreie Kommunikation (GFK) und radikale Ehrlichkeit Methoden, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Beide zielen auf Authentizität und echte Verbindung ab, verfolgen aber sehr unterschiedliche Wege.
Gewaltfreie Kommunikation: Empathie als Basis
In meiner Ausbildung zum Wirtschaftsmediator spielte die von Marshall B. Rosenberg entwickelte Gewaltfreie Kommunikation eine wichtige Rolle. Sie basiert auf vier Schritten: Beobachtung, Gefühle, Bedürfnisse und Bitten. Ziel ist das klare Ausdrücken eigener Gefühle und Bedürfnisse und gleichzeitig das empathische Wahrnehmen die des Gegenübers. Es geht darum, eine gemeinsame Lösung zu finden, die die Bedürfnisse aller Beteiligter berücksichtigt, statt sich in gegenseitiger Kritik oder gar Schuldzuweisungen zu verlieren.
Die Stärken gewaltfreier Kommunikation:
- Konflikte entschärfen: Durch Fokus auf Bedürfnisse und Verzicht auf Vorwürfe sinkt das Eskalationspotenzial.
- Empathische Verbindung: GFK schafft Raum für gegenseitiges Verständnis und Kooperation.
- Strukturierte Kommunikation: Die klare Methode hilft, auch schwierige Gespräche geordnet zu führen.
Natürlich hat diese Methode auch Herausforderungen und Risiken:
- Erfordert Übung: Gerade in emotional geladenen Situationen fällt es schwer, die Methodik anzuwenden.
- Wirkung abhängig vom Gegenüber: Wenn der Dialogpartner nicht kooperiert, kann GFK für alle Beteiligten Frustration auslösen und den Fokus vom Ziel der Konfliktklärung weglenken.
- Verkopftes Agieren: Zu striktes Festhalten an der Methode kann unnatürlich wirken. Das kann Konflikte leicht anheizen, statt sie zu entschärfen und hat nichts mehr von der angestrebten Authentizität.
Außerdem muss im Kontext von Arbeit der Fokus auf den Ergebnissen im Sinne des Unternehmens liegen. Hier kann und muss die Erwartung an Mitarbeitende sein, ein eigenes Maß an Selbstregulierung in die Arbeit einzubringen. Ist dann radikale Ehrlichkeit vielleicht eine besserer Ansatz?
Radikale Ehrlichkeit: Die Wahrheit als Befreiung
Der Ansatz der radikalen Ehrlichkeit wurde entwickelt von Brad Blanton. Er fordert, alles zu sagen, was man denkt und fühlt – ohne Filter oder soziale Konventionen. Grundlegende Idee dahinter ist, dass Lügen und Zurückhaltung innere Spannungen erzeugen, während aus seiner Sicht radikale Offenheit zu authentischen Beziehungen und emotionaler Befreiung führt.
Die Stärken radikaler Ehrlichkeit:
- Innere Freiheit: Der Verzicht auf Verstellungen kann sehr befreiend wirken.
- Authentische Beziehungen: Offenheit lädt dazu ein, echte Verbindungen zu schaffen.
- Konflikte direkt klären: Spannungen werden nicht unter den Teppich gekehrt, sondern offensiv angegangen.
Natürlich hat diese Methode auch Herausforderungen und Risiken:
- Verletzungspotenzial: Ungefilterte Wahrheiten können schmerzhaft sein.
- Soziale Konflikte: Nicht jeder ist bereit für radikale Ehrlichkeit, Das kann Beziehungen auch im Kontext von Arbeit belasten.
- Fehlende Sensibilität: Ohne Einhaltung sozialer Konventionen kann Ehrlichkeit als Rücksichtslosigkeit wahrgenommen und damit schnell als Rückmeldung abgelehnt werden.
Der goldene Mittelweg
GFK und radikale Ehrlichkeit vermitteln den Eindruck, mit ihren unterschiedlichen Stärken und Grenzen gegensätzlich zu sein. Während GFK auf Empathie und Struktur setzt, geht es in radikaler Ehrlichkeit um Spontanität und absolute Offenheit. Bei aller Sensibilität den Menschen gegenüber, kann GFK unnatürlich und radikale Ehrlichkeit frischer und befreiender wirken, dabei allerdings Beziehungen durch rücksichtsloses Verhalten belasten.
Wie kritisches Feedback gegeben werden kann, hängt von der Situation und den Menschen ab. Das kann bedeuten, mal eher mit Empathie, Verständnis und kooperativ zu kommunizieren, oder radikal offen mit klarer Formulierung von Kritik und möglichen Erwartungshaltungen. Auch hier liegt eine Herausforderung: Wechselt der Umgang mit der Formulierung von Feedback oft und nicht nachvollziehbar, werden Feedback-Gebende als wankelmütig und wenig verlässlich wahrgenommen.
Entscheidend für das Geben von Rückmeldung ist die Haltung dahinter, die im Grunde beider Methoden (und aller Grauzonen dazwischen) gleich sein sollte. Im Umgang mit Menschen und Kritik sollte auf Authentizität und Respekt geachtet und von der Bereitschaft ausgegangen werden, Verantwortung für die eigenen Worte und Taten zu übernehmen – auf beiden Seiten des Feedbacks, dem Geben und Nehmen.
Perspektivwechsel: Stärken statt Schwächen
Kritisches Feedback bleibt wichtig. Es spricht dabei in beiden Formen nichts dagegen, einen Fokus auf Stärken zu legen (natürlich ohne auch die wahrgenommenen Schwächen zu verschweigen). Statt mit erhobenem Zeigefinger in einer sogenannten Feedbackkultur sich auf die Schwächen anderer zu konzentrieren und diese zu analysieren, könnten wir uns stärker darauf fokussieren, was bereits gut läuft. Warum? Ein stärkenorientierter Ansatz ist eine bessere Grundlage für Motivation und Vertrauen. Ein Beispiel:
- Klassisches Feedback: “Du hättest das genauer vorbereiten sollen.”
- Stärkenorientierte Alternative: “Deine klaren Argumente in der Präsentation haben Eindruck gemacht. Beim nächsten Mal kannst du das noch um ein paar Details ergänzen.”
Dieser Ansatz erzeugt eine positive Grundlage, auf der konstruktive Kritik aufbauen kann.
Dankbarkeit: Eine unterschätzte Kraft
So etwas wie eine Wunderwaffe in dem Zusammenhang ist aus meiner Sicht ehrliche Dankbarkeit. Häufig organisieren wir unsere Zusammenarbeit nach dem Motto: “Nicht geschimpft ist genug gelobt“. Dankbarkeit wird eher belächelt und selten formuliert. Dabei ist Dankbarkeit das Sahnehäubchen der Kommunikation. Sie verbindet und bietet eine emotionalen Tiefe, die Feedback allein selten erreicht. Dankbarkeit sagt: “Ich sehe dich. Das, was du machst, macht einen Unterschied für mich und uns.”
Ein Beispiel, das auch klar Kritik formuliert: “Danke, dass du so viel Herzblut in die Vorbereitung der Präsentation gesteckt hast. Deine Struktur und Klarheit haben uns allen geholfen, es besser zu verstehen. Beim nächsten Mal brauchen wir, um gut damit arbeiten zu können, mehr Details.” Das ist persönlich und zeigt, dass der Mensch und sein Einsatz gesehen wird, auch wenn das Ergebnis nicht alles gebracht hat, das nötig gewesen wäre. Auch hier bleibt Authentizität in der Formulierung wichtig – dazu gehört zu erkennen, wofür man tatsächlich bei aller Kritik dankbar ist. Floskeln werden schnell erkannt und wirken dann negativ. Und wenn man nichts Konkretes findet, für das Dankbarkeit ausgesprochen werden kann, muss auch das respektvoll formuliert werden. “Danke für deine Präsentation. Das Ergebnis hat uns leider nicht geholfen, da notwendige Details gefehlt haben.”
Warum Dankbarkeit wirkt
Dankbarkeit ist wissenschaftlich gut erforscht. Dankbarkeit fördert Wohlbefinden, reduziert Stress und verbessert Beziehungen. Wer Dankbarkeit ausdrückt, bringt dabei nicht nur andere zum Strahlen, sondern tut auch sich selbst etwas Gutes. Dankbarkeit wirkt als Verstärker positiver Dynamiken. Sie schafft Schleifen, die motivierendes Verhalten verstärken und das Teamklima positiv beeinflussen. Reine Kritik führt nicht selten zu Blockaden. Empfundene und formulierte Dankbarkeit fördert Offenheit und Vertrauen, auch wenn Kritik geäußert wird.
Kritisches Feedback und Dankbarkeit sind keine Gegensätze, sondern Ergänzungen. Dankbarkeit schafft eine gute Grundlage, auf der kritisches Feedback gehört und angenommen werden kann. Eine Kombination aus beidem könnte so aussehen:
- Kritisches Feedback: “Ich habe gemerkt, dass die Abstimmung nicht optimal gelaufen ist.”
- Dankbarkeit: “Danke, dass du dich so schnell auf die neue Aufgabe eingelassen hast. Deinen Einsatz habe ich gesehen, die Abstimmung ist leider dennoch nicht gut gelaufen. Lass uns die nächste Abstimmung gemeinsam vorbereiten.”
Dankbarkeit im Alltag
Ein paar Beispiele, wie schnell und einfach Dankbarkeit formuliert werden kann:
- Im Team: “Danke, dass du dich so mutig geäußert hast. Deine Idee hat den Stein ins Rollen gebracht.”
- Im Alltag: “Schön, dass du heute so früh da warst. Deine Energie hat uns motiviert.”
- In schwierigen Momenten: “Ich schätze sehr, wie ruhig du geblieben bist. Das hat uns geholfen, die Situation zu entschärfen.”
- Bei Herausforderungen: “Ich danke dir für deinen Einsatz. Es war keine einfache Situation und wir sind einen Schritt weiter gekommen.”
Mehr als eine reine Pflichtübung
Natürlich reicht Dankbarkeit allein nicht, um ein positives Arbeitsklima zu schaffen. Sie ist aber ein guter Hebel. Stärkenorientiertes Feedback und Dankbarkeit sind dabei keine neuen Punkte auf einer abzuarbeitenden Liste, sondern im Kern ein anderer Blick auf Menschen und Zusammenarbeit. Sie bieten eine Grundlage für konstruktive und auch kritische Rückmeldungen.
Statt den Fokus auf Fehler zu legen hilft es vielleicht, sich zu überlegen, wofür man auch in kritischen Situationen dankbar war und wie man daran anknüpfen kann mit dem Ziel, dass kritisches Feedback gehört wird, wenn es wichtig ist. So kann ein Arbeitsumfeld unterstützt (und vielleicht langfristig auch grundlegend geschaffen) werden, in dem konstruktive Zusammenarbeit gelernt und miteinander weiterentwickelt wird, in dem Menschen in dem gesehen werden, was sie können, in dem ihnen positive Absicht unterstellt wird und in dem kritische Rückmeldung einen guten Platz findet für individuelle und geneinsame Verbesserungen.
Platz für bessere Zusammenarbeit
Wir müssen nicht länger an der klassischen Feedbackkultur mit schematischen Prozessen festhalten. Sie schafft oft mehr Probleme, als sie löst. Entweder wird aus Sicht auf ein angenehmes Klima wichtige Kritik nicht klar geäußert, oder man knallt sich gegenseitig kritische Rückmeldungen auf den Tisch, die den Spaß an konstruktiver Zusammenarbeit kaum entstehen lassen.
Wir dürfen auch kritisches Feedback nicht verschweigen, um ein oberflächlich harmonisches Arbeitsumfeld zu schaffen. Besser ist ein Ansatz, der Stärken unterstreicht, konstruktive Kritik sinnvoll einsetzt und Dankbarkeit kultiviert. Das schafft eine Umgebung, in der Menschen nicht nur gehört, sondern wirklich gesehen und Kritik geäußert und angenommen werden kann. Also Schluss mit klassischen Feedback-Prozessen und hin zu fortschrittlicher, konstruktiver Zusammenarbeit.
Hinweis: Wer sich mehr für das Dilemma von Kommunikation interessiert, dem sei dieser Podcast “Das Dilemma der Kommunikation” empfohlen.
(Das Bild ist mit ChatGPT generiert.)