Festpreis und agil zusammen geht nicht – das hört man immer wieder. Einen Gegenentwurf liefert das Konzept „Agiler Festpreis“ in dem iteratives und inkrementelles Vorgehen berücksichtigt wird. Ich gehe noch einen Schritt weiter und behaupte: Ein fester Preis wird überhaupt erst mit agilen Methoden möglich. Wie kann das sein? Hä?
Festpreis? Sind wir doch mal ehrlich: Klassisch organisierte (komplexe) Projekte, in denen ein großer Umfang schon zu Beginn der langen Projektphase festgelegt wird und dafür bestimmte Kosten aufgerufen werden, endet in politischen Change Management Schlachten. Als Sieger vom Platz geht derjenige, der die besseren Kämpfer (Verkäufer, Projektmanager…) hat.
Die Realität ist: Aufwände und damit Kosten sind in komplexen Projekten nicht verlässlich zu schätzen. Gute Beispiele liefern zum Beispiel der Bau des Berliner Flughafens (geplante Kosten 1,7 Milliarden Euro, wahrscheinliche Kosten über 7,3 Milliarden Euro – die aktuellen Kosten bekommt man hier angezeigt) oder der Bau der Elbphilharmonie (77 Millionen Euro veranschlagt, 117 Millionen vereinbart, endgültige Kosten knapp 800 Millionen Euro). Dabei enden solche aus dem Ruder gelaufenen Projekte in der Regel mit Kompromissen, die damit auch selten ausschließlich zu Lasten des Lieferanten gehen, der die Aufwände für den Festpreis geschätzt hat. Aber nur das würde tatsächlich aus den vielen angeblichen Festpreis-Projekten ein wirkliches Festpreis-Projekt für den Auftraggeber machen. Die Diskussionen zwischen Lieferant und Auftraggeber versuchen in der Regel rückwirkend heraus zu bekommen, wer verantwortlich für welche Mehraufwände ist. Jeder verkauft sich irgendwie. Am Ende zahlt der eine hier und der andere da mehr als geplant. Der angebotene feste Preis steigt, weil komplexe Projekte nicht verlässlich geschätzt werden können.
Angebote mit Festpreis gehen in der Regel davon aus, dass verlässliche Schätzungen möglich sind, dass die PM-Triangel „Fester Termin“, „Fester Umfang“ und „“Feste Qualität“ funktioniert. Schlaue Köpfe wissen, dass das nicht der Realität entspricht. Sie ergänzen schon Festpreis-Verträgen durch einen Change-Management-Prozess, der den Umgang und die Kosten mit geänderten Anforderungen regelt. In einem Festpreis-Vertrag steht also bereits, wie Mehraufwände geregelt und Mehrkosten abgegolten werden. Ist das ein verlässlicher Festpreis? Sind wir doch mal ehrlich!
Wenn man also ehrlich ist, dann kann ein wirklicher Festpreis verlässlich ohne Zusatzkosten für Veränderungen der Anforderungen und Rahmenbedingungen nur gewährleistet werden, wenn der Umfang für den Festpreis variabel ist. Agile Methoden bieten also ein Change Management schon während der Projektentwicklung. Sie reichern die Sicherheit eines festen Preises zusätzlich durch die Möglichkeit des Kunden an, Anforderungen innerhalb des festen Preises so zu ändern, dass nicht nur irgendein Produkt dabei heraus kommt, sondern das Bestmögliche für die klar definierten Kosten. Unter diesen Rahmenbedingungen ist auch ein fester Termin zu halten.
Der immer noch bestehende Wunsch vieler Unternehmen, eine Projektmanagement-Triangel angeboten zu bekommen, kommt mir wie ein trotziges Kind vor, das auf den Boden stampft und mit hochrotem Kopf sagt: Ich will aber!
Warum also nicht anfangen, der Realität komplexer Projekte ins Auge zu blicken und sich die Frage zu stellen: Ist es der feste Preis, der feste Termin oder der Umfang der mir wirklich wichtig ist? Bin ich bereit, für einen festen Umfang inklusive meiner Änderungswünsche mehr Geld zu bezahlen oder habe ich ein beschränktes Budget und einen festen Termin, der unbedingt gehalten werden muss? Die Erwartung an die hellseherischen Fähigkeiten des Lieferanten im Blick auf die Aufwände für komplexe Projekte ist nicht nur so absurd, wie sie klingt, es ist auch tausendfach belegt, dass ein solches Vorgehen schädlich ist.
Ein Projekt mit komplexen Anforderungen braucht zum Projekterfolg eine Kooperation zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer und so lange ich als Auftraggeber trotz Einigung auf einen Festpreis auf einen festen Umfang beharre, wird der vermeintliche Festpreis Illusion bleiben.
Von einem anderen Vorgehen profitieren beide – Auftraggeber wie Auftragnehmer – durch verlässliche Kosten und planbare Aufwände. Was also spricht eigentlich dagegen, endlich mit Festpreisen zu arbeiten und sie durch agile Verträge und Vorgehensweise auch wirklich zu bekommen.
Ein paar Vorschläge zu Verträgen, die den Rahmenbedingungen komplexer Projekte gerecht werden, finden sich unter anderem in den Beiträgen von Peter Stevens zum Thema “Contracting for Agile Software Projects“.