Neulich sagte ein Kollege zu mir: das Projekt steht und fällt mit guter Kommunikation. Auch wenn es manchmal noch weitere Faktoren gibt, spielt Kommunikation eine wesentliche, vielleicht die entscheidende Rolle in Zusammenarbeit. Die Herausforderung: Kommunikation kann weder von Missverständnissen gänzlich befreit noch vermieden werden. Um hier erfolgreicher zu kommunizieren, muss man kein Experte sein, sollte sich aber zumindest einen Eindruck zu dem komplexen Thema verschafft haben.
Kommunikationsexperte bin ich nicht, will hier aber dennoch ein paar Informationen und Erkenntnisse zum Thema zusammentragen, um einen Einblick in dieses vielschichtige Thema anzubieten.
Man kann nicht nicht kommunizieren.
Paul Watzlawik
Kommunikation geht weit über “miteinander reden” oder auch “sich anschweigen” hinaus. Kommunikation in der Zusammenarbeit findet letztendlich in jeglicher Form des Austauschs statt – sei es in Meetings, bei Telefonaten, per E-Mail, sozialen Medien, Video-Konferenz, Status-Berichten, Reports und so weiter.
Die gleiche Sprache sprechen?
Wie heißt es so schön, wenn man sich gut versteht: “Wir sprechen die gleiche Sprache!” Allerdings steckt dahinter etwas mehr, als der Satz vermuten lässt. Denn nur die gleiche Sprache zu sprechen, heißt bei genauer Betrachtung noch nicht, dass man sich auch versteht.
Ein einfaches Beispiel? Ein und der selbe Satz kann gegensätzliche Bedeutungen haben: “Den Fußgänger auf der Straße umfahren” (also um den Fußgänger herum fahren) und “den Fußgänger auf der Straße umfahren” (also den Fußgänger überfahren).
Kommunikation aufzunehmen ist das Eine, das Gehörte oder Gelesene zu interpretieren ist der unvermeidbare zweite Schritt, der immer stattfindet und bei dem Missverständnisse passieren – obwohl man vermeintlich die gleiche Sprache spricht.
Sich verstehen
Natürlich ist Kommunikation immer etwas, das zwischen einem oder mehreren Sendern und einem oder mehreren Empfängern passiert. Dabei gibt es einen großen Unterschied zwischen Nachrichten, Botschaften und Wahrnehmungen – also dem, was gesagt wird, was dabei gemeint wird und wie es aufgenommen wird.
Das vier Ohren Modell
Menschen hören mit unterschiedlichen Ohren. Das lässt sich eingeschränkt auch auf Augen und Lesen übertragen. Schon das ist ein Quell vieler Missverständnisse. Um so wichtiger ist es, das Vier Ohren Modell von Friedemann Schulz von Thun zu kennen. Mir geht es in diesem Beitrag aber um etwas anderes, deswegen verweise ich bezüglich des vier Ohren Modells auf dieses Video.
Inhalt selbst von geringer Relevanz
Längst hat man auch festgestellt, dass in verbaler und nonverbalen Kommunikation der Inhalt des Gesagten wenig relevant ist. Nach Albert Mehrabian beruht die Wirkung bei Kommunikation – zum Beispiel bei Präsentationen – nur zu 7 Prozent auf dem Inhalt des Gesagten, ganze 38% hängt an der Stimmlage und der überwiegende Teil, nämlich die restlichen 55%, entfallen auf die Körpersprache (Körperhaltung, Gestik, Augenkontakt).
Kein luftleerer Raum
Kommunikation findet nie in einem luftleeren Raum statt. Betrachten wir den Empfänger. Wie der Empfänger die Informationen aufnimmt, hängt von vielen weiteren Faktoren ab: Was und wie etwas kommuniziert wird spielt ebenso eine Rolle, wie wer etwas sagt oder schreibt. Hinzu kommen die Erfahrungen, Erwartungen und Bedürfnisse des Empfängers und der Rahmen, unter dessen Umständen Kommunikation stattfindet. Der Satz “Das ist aber unaufgeräumt hier” wird von unterschiedlichen Menschen völlig unterschiedlich aufgenommen – auch abhängig davon, wer das sagt, wie es gesagt wird und in welchem Kontext der Satz fällt.
Es ist also für das gegenseitige Verstehen wichtig zu wissen, dass Empfänger die Informationen nicht nicht interpretieren können. Empfänger erschaffen immer ihre ganz eigene Realität und halten diese Realität dann erst mal für die einzig wahre Realität. Wie entsteht diese Realität?
Der Weg zur eigenen Realität
Informationen und Reize werden vom Empfänger bereits durch die Sinnesorgane und das Nervensystem gefiltert. Die so ausgewählten Informationen werden dann abhängig von den eigenen Erfahrungen und Bedürfnissen interpretiert, also assoziiert, bewertet und auch verglichen, kombiniert und ergänzt. Diese Interpretation der Informationen und Reize wird dann emotional bewertet. Erst dann ist die ganz eigene Realität der Information und Reize beim Empfänger entstanden.
Wie mächtig das ist, wie groß der Einfluss dieser drei “Stufen” sind, dazu ein paar konkrete Beispiele.
Filtern
Bist du schon mal hungrig durch die Stadt gelaufen, um irgendetwas einzukaufen? Wie gut plötzlich alles riecht, wie viele Möglichkeiten dir auf einmal auffallen, um etwas zu Essen zu kaufen? Der vielleicht sonst wohlwollend aufgenommene Straßenmusiker nervt mit seinem Gefiedel. Die Sinnesorgane nehmen verstärkt wahr, was dem aktuellen Bedürfnis des Körpers entspricht. In einer ganz anderen Situation – satt und gut gelaunt – bleibt vielleicht sogar die Zeit, bei dem Straßenmusiker stehen zu bleiben oder sogar eine Panflötenmusik-CD zu kaufen. Die Informationen und Reize waren in beiden Fällen gleich oder ähnlich und haben abhängig von sich auch beim Empfänger stetig ändernden Rahmenbedingungen völlig unterschiedliche Auswirkungen.
Bezogen auf Kommunikation in der Zusammenarbeit: Die aktuellen Bedürfnisse der Empfänger haben eine hohe Bedeutung und filtern Informationen und Reize.
Interpretieren
Bist du schon mal auf einen Zebrastreifen zugelaufen und hast wahrgenommen, dass das Auto langsamer wurde? Hast du dann interpretiert, dass das Auto halten wird, dich dann in Bewegung gesetzt um festzustellen, dass der Fahrer doch nicht hält? Vielleicht waren die Insassen des Autos in ein Gespräch vertieft oder das Bremsen hatte nur den Grund, weil das Auto direkt hinter dem Zebrastreifen abbiegen wollte?
Alle Dinge, die erst mal sachlich betrachtet passieren, werden durch Menschen interpretiert, die ohnehin schon gefilterten Informationen werden meist schnell und unterbewusst verarbeitet, sie werden eingeordnet, assoziiert, verglichen, kombiniert, um die Vielzahl der Informationen für sich selbst schnell greifbar zu machen. Daraus entsteht eine ganz eigene Realität, die mit der rein sachlich betrachteten Faktenlage oder der Realität anderer Menschen nicht übereinstimmen muss.
Bezogen auf Kommunikation in der Zusammenarbeit: Spricht ein Mensch davon, dass es ein Problem gibt, kann das von einem Kollegen als Scherz, vom anderen als eine unwesentliche Information und vom nächsten als großes Drama interpretiert werden, abgeleitet von Gestik, Mimik, Tonfall und immer auch abhängig von Erfahrungen, Bedürfnissen und der aktuellen eigenen Situation.
Emotionale Bewertung
Entscheidend für den Grad der Wichtigkeit von Informationen und Reizen für uns individuell ist die emotionale Bewertung von dem, was wir aufgenommen haben. In extremen Situationen zum Beispiel unter Stress reagieren wir entweder mit Flucht, Angriff oder Erstarren. Für uns stellt sich das in Gefühlen wie zum Beispiel Freude, Liebe oder auch Wut und Angst dar. Sie haben einen entscheidenden Einfluss auf unsere Bewertung und eine anschließende Reaktion. Wenn Informationen bei der emotionalen Bewertung kein Gewicht bekommen, werden wir sie wenig beachten.
Bezogen auf Kommunikation in der Zusammenarbeit: Information über eine Krise in einem Projekt werden wir nur beachten, wenn sie in der emotionalen Bewertung ein Gewicht bekommt. Auch die emotionale Bewertung und Reaktion ist hochgradig individuell – während eine Krise bei dem einen zu Aktivierung führt, sorgt sie bei anderen für Rückzug.
Vorteil und Herausforderung
Es gibt in Kommunikation keine allgemein gültige Realität. Die selbst konstruierte Realität ist immer das Ergebnis ganz individuellen Filterns, Interpretierens und Bewertens. Trotzdem hält jeder seine eigene Realität für die allgemein gültige Realität. Daran wird auch ein Verstehen der Zusammenhänge, möglicherweise durch diesen Artikel, nichts ändern.
Der Vorteil dieser ganz eigenen Realität ist, dass wir auf diesem Weg gestützt durch unsere Erfahrungen und gelenkt durch unsere Bedürfnisse in der Lage sind, sehr schnell zu reagieren.
Geraten wir aber in Konfliktsituationen, müssen wir uns der Unterschiedlichkeit der Realitäten bewusst sein. Wir müssen sie berücksichtigen und durch unterschiedliche Methoden, wie beispielsweise “aktives Zuhören”, “gewaltfreie Kommunikation”, “offene Fragen” zu einer Klärung kommen. Oft reichen Diskussion oder der Wechsel der Perspektive, manchmal braucht man einen außenstehenden Moderator oder Mediator um Missverständnisse aufzudecken und durch die Wahrnehmung unterschiedlicher Realitäten zu neuen Erkenntnissen zu kommen.
Das größte Problem in der Kommunikation ist die Illusion, sie hätte stattgefunden.
Georg Bernhard Shaw
Danke an Peter Siwon, der mir mit seinem Beitrag einen wesentlichen Impuls und wichtige Gedankenanstöße zu meinem Beitrag gegeben hat.
(Das verwendete Bild ist von THaeuSalRang – Vielen Dank!)
2 Comments
Leave a CommentSpannende Ergänzung bringt der Beitrag von Conny Dethlhoff “Kommunikation 2.0 – gesagt ist weder gehört noch verstanden”
Gerade der Gedanke aus einem Kommentar zu seinem Beitrag bezogen auf Niels Luhrman, finde ich spannend: Verständnis ist nur ein Teil von Kommunikation, auch unter Missverständnissen findet Kommunikation statt. Wenn man ja nicht nicht kommunizieren kann, steckt da viel Wahres drin.