Ein weiteres Jahr liegt hinter uns. Nachdem ich schon letztes Jahr von einem schweren Jahr gesprochen habe, war es dieses Jahr ungleich schwerer. Zu diesem Jahreswechsel fällt mir die Formulierung schwerer und sie wird noch persönlicher, als die Reflexion zum Jahr 2019.
Auslöser ist sicher maßgeblich die alles beeinflussende Corona-Pandemie, die mir viel Kraft geraubt und in gewisser Weise eine deutliche Reduktion für mich erforderlich gemacht hat. Beruflich musste ich mich stark fokussieren und habe mehr bestehendes Wissen und Erfahrung genutzt, als Neues gelernt. Gleichzeitig hat mich die Situation mit Covid-19 und Entwicklungen bei meinen Kindern dazu gebracht, mich stärker mit meiner kleinen Familie und mir persönlich zu beschäftigen. Diese Entwicklungen sind mit Ende des Jahres noch lange nicht abgeschlossen.
Ein Blick zurück
Bei meinem letzten Jahreswechsel habe ich für 2020 festgestellt, dass ich weniger konkrete Ziele verfolgen, sondern erkennen wollte, was meine Bedürfnisse sind und was sich nach guten Entscheidungen anfühlt.
Mit ungeplanten Dingen wollte ich besser umgehen können, mich besser kennenlernen, wollte mehr Freiraum schaffen um im Moment den Moment erleben und genießen zu können. Dabei wollte ich stärker sehen, was ich kann und habe. Durch ein stärkeres „bei mir sein“ wollte ich Ruhe und Kraft schöpfen und aus dieser Kraft heraus akzeptieren, dass ich nicht alles in der Hand haben muss. Klare Entscheidungen entsprechend meiner Bedürfnisse und das bewusste los- und weglassen von Dingen, waren mein Vorhaben. Letztendlich wollte ich in 2020 klarer verstehen, was mir wichtig ist, mehr loslassen, Ungeplantes zulassen und stärker aus dem Moment heraus das aus meiner Sicht und nach meinem Gefühl Richtige tun.
Wenn ich diese Überlegungen und Orientierung aus dem letzten Jahreswechsel betrachte kann ich sagen, dass ich – ohne konkrete Ziele aktiv verfolgt zu haben – in vielen Punkten weiter gekommen bin.
Durch die Pandemie stark auf mich selbst zurück geworfen verstehe ich langsam besser, was meine Bedürfnisse sind und versuche ihnen stärker zu folgen, ohne mir immer im Detail zu überlegen, ob das dauerhaft sinnvoll ist oder nicht. Gerade zum Ende des Jahres habe ich das geschafft. Es fühlt sich richtig an, auch – oder gerade weil – es mich in ein emotionales Chaos gestürzt hat. Hier steckt Lebendigkeit mit Farben, die ich viele Monate bereits vor der Pandemie lange in ein tristes Grau des Alltags gehüllt hatte.
Der alte Alltag veränderte sich ungeplant durch die Pandemie und ich habe mich zumindest organisatorisch und bezüglich der Arbeit gut darauf einstellen können. Mit dem stärker bei mir sein komme ich noch nicht immer gut zurecht. Die Gründe dafür werden langsam klarer. Ruhe und Kraft kann ich daraus noch nicht schöpfen. Dafür kann ich mittlerweile besser akzeptieren, dass ich nicht alles in der Hand habe, bleibe aber ungeduldig und oft zu impulsiv. Hier bin ich auf dem Weg.
2020 – ein Jahr des Aushaltens
Dieses Jahr hat die Meisten von uns auf unterschiedliche Arten und Weisen gebeutelt. Ich kenne keine Menschen, denen es in der derzeitige Situation besser geht als vorher.
Objektiv betrachtet, geht es mir sehr gut. Der Job ist sicher, die Wohnverhältnisse sind gut, die Kinder brauchen keine Betreuung rund um die Uhr und kümmern sich weitestgehend um ihre Schule selbst. Meine Eltern sind noch vergleichsweise jung und unterstützen mich. Die Herausforderungen als alleinerziehender Vater von drei Kindern muss ich also nicht ganz alleine meistern. Gleichzeitig musste ich feststellen, dass mich 9-10 Monate im Homeoffice mit stark reduzierten Kontakten, kaum Ausgleichsmöglichkeiten durch unbeschwerte Treffen mit Freunden, den Besuch von Konferenzen, Konzerten, Wochenendausflüge oder Urlaube und Ähnliches, an meine Belastungsgrenze gebracht haben. Neben den erschwerten beruflichen Bedingungen gab es Entwicklungen bei manchen meiner Kinder, die für mich kaum noch auszuhalten sind und die ich ohne Hilfe auch von Familie und Anderen nicht mehr bewerkstelligen kann.
Getreu meines Vorhabens, Dinge loszulassen um auch Platz für Neues zu schaffen, habe ich mich bei meinem Arbeitgeber auf meine Hauptaufgabe konzentriert – die Begleitung einer Abteilung mit rund 100 Mitarbeitenden hin zu agilen Strukturen und Arbeitsprozessen. Hier blicke ich auf ein in Summe erfolgreiches Jahr zurück. Gleichzeitig musste ich dafür mein gegründetes Agile Coaching Team – die AGENTs – schweren Herzens vollständig verlassen. Ebenso musste ich meine nebenberuflichen Tätigkeiten mit YNEO pausieren.
Nachdem der Sommer trotz gewisser überschaubarer Infektionszahlen an der frischen Luft noch Möglichkeiten zur Abwechslung bot, hat ab Mitte September die dunkle Jahreszeit begonnen. Der Urlaub im Sommer musste ebenso wie unterschiedliche Planungen für einen Herbsturlaub gestrichen werden. Ab etwa Mitte September wurde die Situation zwischen beruflichen Aufgaben, familiären Herausforderungen und fehlenden Ausgleichsmöglichkeiten immer anstrengender. Die Aussicht, dass sich dieser Zustand noch bis vermutlich mindestens Ende März ziehen wird, unterstreicht das Gefühl, hier noch länger und fester die Zähne zusammen beißen und den Zustand aushalten zu müssen.
Insgesamt ist mein Eindruck, dass sich nicht nur ich, sondern viele Menschen in meinem Umfeld, stark zurück gezogen haben. Soziale Kontakte, vor allem in Form persönlicher Treffen, wurden deutlich weniger. Abgesehen von dem einen oder anderen Partner bei einer morgendlichen Lauf-Runde kann ich die physischen Treffen mit Freunden oder Kollegen in diesem Jahr vermutlich an zwei Händen abzählen. Letztendlich war für mich die Belastung des kontinuierlichen Arbeitens in Videokonferenzen so groß, dass ich auch private Zoom-Treffen abgesagt und neben den Hauptaufgaben im Job und den Herausforderungen mit meinen Kindern nicht mehr viel machen konnte. Und dabei stelle ich stark fest, wie wichtig mir Austausch mit Menschen und echte Treffen sind.
Man kann also sagen: Ich musste einiges teils geplant und teils ungeplant loslassen. Die Kraft zu mehr hat gefehlt, nicht zuletzt auch deswegen habe ich einige Wochen keine Blog-Beiträge mehr schreiben können. Auch wenn „besser Loslassen können“ eines meiner Vorhaben war, habe ich nicht das Gefühl, dass mir das besonders gut gelungen ist. Jedes Loslassen hat mich viel Kraft gekostet und kostet es immer noch. Mir fehlt beispielsweise die Zusammenarbeit mit den AGENTs ebenso wie das kreative Arbeiten bei und mit den Kollegen und Freunden von YNEO. Letztendlich musste ich feststellen, dass meine eigenen Bedürfnisse, die ich in diesem Jahr besser kennengelernt habe, mir auch immer wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht haben. Getroffene Entscheidungen waren zwar notwendig, belasteten mich aber teilweise heute noch. Das Gefühl, durch das Loslassen etwas verloren zu haben, muss ich zur Zeit noch stark aushalten.
Gleichzeitig hat das Loslassen auch Platz für einen stärkeren Fokus auf bestimmte Themen, aber auch für Neues gemacht. So habe ich im letzten Quartal diesen Jahres einen Menschen kennenlernen dürfen, der in einer Geschwindigkeit eine Bedeutung für mich gewonnen hat, die ich erst langsam anfange zu verstehen – was auch immer das bedeutet und zu was auch immer sich das entwickeln wird.
Was ist mit 2021
Aus den teils völlig neuen Erfahrungen in 2020 nehme ich mit, was ich im Laufe des kommenden Jahres besser hinbekommen möchte. Dazu gehört auch herauszufinden, welche Themen mich gerade selbst beschäftigen und interessieren. Nachdem ich mich jetzt seit mehr als 12 Jahren mit der Verbesserung von Zusammenarbeit mit dem Schwerpunkt auf agile Methoden beschäftigt habe, habe ich nicht mehr den Eindruck, in dem Umfeld viel wirklich Neues für mich entdecken zu können. Natürlich gibt es ständig neue Ideen und Ansätze, die sich für mich aber im Kern nicht mehr neu anfühlen. Ich erlebe mich in meinem täglichen Handeln und Denken so, dass das Thema Agilität längst zu einer Basis für mich geworden ist.
Nach vielen Jahren Erfahrung mit agilen Methoden in der Entwicklung von Projekten, Produkten, Teams und Organisationen bis hin zur Nutzung agiler Methoden im familiären Alltag, komme ich zu einer einfachen Erkenntnis (die nicht bahnbrechend und dennoch für mich wegweisend ist). Letztendlich geht es mir selbst bei allem um die Menschen. Eine eher systemische Sicht auf Zusammenarbeit und letztendlich auch Zusammenleben in anderen Kontexten, entkoppelt von den direkt betroffenen Menschen, ist die wahrscheinlich menschlichste Sicht, die man sich aneignen kann, weil sie die Verantwortung bei den (erwachsenen) Menschen lässt und gleichzeitig nicht nach Schuldigen sucht.
Was auch immer man verändert, angeht, in die Wege leitet – letztendlich geht es dabei um Menschen, die Kommunikation zwischen ihnen und deren Beziehungen zueinander. Lebendige Beziehungen basierend auf guter Kommunikation sind ein Schlüssel sowohl für erfolgreiche Zusammenarbeit als auch für zufriedenes Zusammenleben.
Da Veränderung nur stattfindet, wenn man Dinge anders macht und Veränderung immer bei einem selbst beginnt, will ich auch in 2021 an mir selbst arbeiten, um einen Beitrag zu leisten, dass es mir selbst und den Menschen, zu denen ich in unterschiedlichen Beziehungen stehe, gut geht. Dafür fühle ich mich als Vater, Freund und Kollege weiterhin verantwortlich auch in dem Wissen, dass ich nicht allen gerecht werden kann.
Ganz konkret möchte ich meiner Tochter helfen, ihre eigenen großen Schwierigkeiten in diesem Jahr besser in den Griff zu bekommen, ohne dabei den Blick für meine andere Tochter und meinen Sohn zu verlieren. Das wird insgesamt eine große Herausforderung, bei der ich Unterstützung durch Menschen brauche, die mir nahe stehen und die mir mit ihren teils sehr neuen Impulsen helfen, selbst auch neue Wege zu gehen.
Letztendlich möchte ich mich persönlich in 2021 drei Dingen widmen, die ich besser in den Griff bekommen möchte und ich bin davon überzeugt, dass sie mir sowohl in meiner Rolle als Vater bei den anstehenden großen Herausforderungen ebenso helfen wie in der Beziehung zu mir selbst und den Menschen um mich herum, sei es privat oder im Beruf. Die folgenden drei Dinge selbst besser in den Griff zu bekommen wird mir helfen, auch in unsicheren und schwierigen Zeiten aus mir selbst mehr Kraft und Energie für den Alltag und tägliche Herausforderungen ziehen zu können.
Loslassen
Auch wenn ich in diesem Jahr einige Dinge als Reaktion, andere mit bewusster Entscheidung, loslassen musste, muss ich mir eingestehen, dass dieses Loslassen bisher nur auf einer rein organisatorischen Ebene überhaupt klappt. Emotional fällt mir das an vielen Stellen noch schwer. Auch wenn ich hinter meinen jeweiligen Entscheidungen stehe, die ich mir in der Regel gut überlege oder die auf eine starke Emotion folgen, schaffe ich es nicht immer gut, in mir wirklich loszulassen. Das versuche ich für mich in 2021 besser hinzubekommen. Um das besser hinzubekommen will ich die zwei folgenden Fähigkeiten stärker ausbauen, in denen ich auch noch nicht besonders gefestigt bin.
Geduldiger werden
Wenn ich an Dingen arbeite oder einfach nur etwas gerne sehen oder haben möchte, dann möchte ich das am Liebsten sofort. Ich liebe es zu sehen, wenn mein Einsatz sich auszahlt, wenn ich etwas erreichen möchte und zügig Ergebnisse meines Handelns sehe. Das betrifft mich als Vater, in meinem Job als Kollege auch mit meiner Führungsverantwortung und als Freund. Dieses Jahr hat mich viel Kraft gekostet und das auch, weil ich oft ungeduldig bin und Situationen und Menschen zu wenig Zeit lasse. Weil ich manches zu schnell will, dann unzufrieden werde wenn es länger dauert und den Blick auf positive Entwicklungen verliere, die vielleicht einfach nur länger brauchen, als ich mir das vorgestellt oder gewünscht habe. Dazu gehört auch, mir bei der Einschätzung meiner Situation mehr Zeit zu lassen. Mit mehr Geduld glaube ich auch, meinem dritten Vorhaben näher zu kommen.
Sehen was gut ist
Meine eigenen Bedürfnisse machen mir oft einen Strich durch die Rechnung. Sie machen es mir schwer, loszulassen und geduldiger zu sein. Das führt dazu, dass ich zu oft sehe, was ich nicht habe und was sich aktuell nicht so darstellt, wie ich es mir wünsche. Neben all diesen Baustellen, Herausforderungen und Anstrengungen gibt es aber auch die anderen Seiten. Die, bei denen Vieles sehr gut ist. In diesem Guten und einer Dankbarkeit dafür steckt viel Energie und Kraft, die ich mir aktuell zu wenig zu Nutze mache.
Natürlich sehe ich auch, dass mich meine Neugierde und Ungeduld und das innere Bedürfnis, mich immer weiter zu entwickeln, hierhin gebracht hat und mit vielen Dingen bin ich sehr zufrieden. Ich merke aber auch – gerade nach bald einem Jahr Pandemie, die gerade im Bereich der Sozialkontakte für mich zu vielen Einschränkungen geführt hat – dass mir manches stärker fehlt, aus dem ich Kraft ziehen konnte und dass diese fehlende Kraft auch dazu führt, dass ich loslassen und geduldiger werden muss. Das Lenken meines Blicks stärker auf das, was gut ist, wird mir helfen, aus mir und meiner Situation trotz der großen Herausforderungen und unerfüllter Wünsche und Bedürfnisse, wieder mehr Kraft zu ziehen. Für mich, für meine Kinder, für meine Freunde und auch Kolleginnen und Kollegen.
So starte ich in dieses Jahr, das jetzt noch mindestens 363 Möglichkeiten bietet, uns positiv zu überraschen.
2 Comments
Leave a CommentLieber Daniel,
da steht so viel drin, bei dem ich #hiersoauchso hinter schreiben möchte.
Mir ist bei deinen Twitter Posts schon länger aufgefallen, dass du sehr mit dir ins Gericht gehst und scheinbar Auswege aus Einbahnstraßen und Lösungswege für Herausforderungen suchst. Sehr oft wollte ich dir drunter schreiben, “ruf an wenn du reden möchtest!” aber der Klotz auf den Schultern sagt einem immer wieder, du hast gerade selbst keine Energie, wie willst du da jemand helfen.
Trifft man dann mal jemand und redet ausgiebig, stell ich dann fest wie gut mir das tut und dass es einen mehr gibt als es nimmt.
Für mich wird Kommunikation über Messenger gefühlt immer anstrengender und der direkte Austausch fehlt mir sehr, daher werde ich in diesem Jahr mir wieder vornehmen mehr mit Menschen zu reden statt zu schreiben.
Also ruf an wenn du magst! Puh es ist raus… 😀
Vielleicht wird es ein spannendes Telefonat. Diesdas
Ich wünsche dir viel Ausdauer für deine Anstehenden Aufgaben und hoffe, dass du alles unter einen Hut bekommst.
Viele Grüße und einen guten Start ins neue Jahr
Matthias