In Wikipedia heißt es zum Begriff „Vertrauen“: Vertrauen ist die subjektive Überzeugung (auch Glaube) von der Richtigkeit, Wahrheit bzw. Redlichkeit von Handlungen, Einsichten und Aussagen eines anderen oder von sich selbst (Selbstvertrauen). Zum Vertrauen gehört auch die Überzeugung der Möglichkeit von Handlungen und der Fähigkeit zu Handlungen.
Vertraue ich also einem Menschen, dann bin ich ganz subjektiv davon überzeugt, dass die Handlungen dieses Menschen richtig sind. Außerdem glaube ich daran, dass diese Person in der Lage ist, die Handlungen nach meinem subjektiven Empfinden richtig zu erledigen. Wenn also Vertrauen ganz stark mit subjektiven Empfindungen verknüpft ist, dann bedeutet das doch letztendlich auch, dass ich selbst es in der Hand habe Vertrauen zu anderen Menschen aufzubauen. Es liegt an einem selbst, ob man andere Menschen vertrauenswürdig findet oder nicht, ob man ihnen vertraut und sollte nicht im Wesentlichen von deren Verhalten abhängen.
Verantwortung und Vertrauen sind zwei wesentliche Themen im täglichen Miteinander. Seit ich Vater bin, haben die Begriffe eine noch viel größere Bedeutung bekommen und ich erlebe die beiden Themen für sich und im Zusammenspiel als wichtigste Triebfedern und Motivatoren. Mein Sohn beispielsweise ist manchmal wie ausgewechselt, wenn er eine verantwortungsvolle Aufgabe übertragen und das Vertrauen entgegengebracht bekommt, diese Aufgabe zu erledigen. Er macht dann plötzlich Dinge, die er sonst nicht machen würde alleine, weil er sich durch die übertragene Verantwortung und das (damit) entgegengebrachte Vertrauen wertgeschätzt fühlt.
Denke ich an Zeiten meiner eigenen Vergangenheit, in denen mir „anderen Menschen vertrauen“ schwer gefallen ist, dann habe ich irgendwann festgestellt, dass mein Misstrauen sogar zwei negative Dimensionen hatte. Zum einen musste ich feststellen, dass mich mein Misstrauen als Schutz vor Enttäuschung zu einem gewissen Teil unglücklich machte, zum anderen andere Menschen im Umgang mit mir demotivierte. Nach der Erkenntnis, dass mich mein Misstrauen nicht weiter bringt und mehr belastet als schützt, habe ich daran gearbeitet, die Fähigkeit anderen Menschen zu Vertrauen, zurückzugewinnen.
Wenn ich heute Menschen sehe, die beispielsweise im Arbeitsleben Schwierigkeiten haben, ihren Kollegen (Arbeit an-) zu vertrauen und das mit mir früher und heute vergleiche, dann stelle ich fest, dass die wieder erlangte Fähigkeit anderen Menschen zu vertrauen mich selbst befreit. Zum einen habe ich ein viel bejahenderes Menschenbild und sehe Dinge positiver. Dadurch fühle ich mich weniger belastet. Zum anderen muss ich nicht mehr alles selbst machen, weil ich darauf vertraue, dass auch andere Dinge gut machen werden. Außerdem motiviert das entgegengebrachte Vertrauen andere Menschen, selbst Verantwortung zu übernehmen und ihr Bestes zu geben.
Seit meinem letzten Arbeitgeberwechsel erlebe ich selbst sehr deutlich, wie motivierend entgegengebrachtes Vertrauen ist. Zwar wächst damit die Verantwortung im Umgang mit diesem Vertrauen, auf der anderen Seite beflügelt mich dieses Gefühl. Entgegengebrachtes Vertrauen (vor allem, wenn das Vertrauen nicht mühsam erarbeitet werden musste, sondern in Form von Vertrauensvorschuss einfach da ist) erlebe ich als eine der größten Wertschätzungen überhaupt. Ich übernehme viel lieber verantwortungsvolle Aufgaben und gebe motivierter mein Bestes. Diese Wertschätzung treibt mich täglich aufs Neue auch in schwierigen Situationen an und steigert den Spaß bei der Arbeit deutlich.
Leider funktioniert hier auch der Umkehrschluss und Menschen, die das Gefühl haben, dass man ihnen nicht vertraut, werden weniger motiviert sein und im Zweifel nicht versuchen, ihr Bestes zu geben. Auch mir kommt immer wieder ein Satz wie „Wenn du willst, dass es richtig gemacht wird, mach es selbst“ in den Sinn. Dann ist es auch für mich immer wieder eine ganz bewusste Entscheidung, es trotzdem nicht selbst zu machen, obwohl ich nicht sicher bin, ob das Ergebnis meinen Vorstellungen entsprechen wird.
Ich kann und will anderen vertrauen und ich will ihnen die Freiheit geben, dabei kreativ eigene Entscheidungen zu treffen. Wenn ich dabei für das Gesamtergebnis verantwortlich bin, dann versuche ich meine Ziele (und nicht den Weg, diese zu erreichen) zu formulieren und mir danach flexibel und ganz offen das Ergebnis anzusehen. Meine eigene Vorstellung von Lösungsweg und Form des Ergebnisses versuche ich dabei nicht als Maßstab zu nehmen. Und manchmal stelle ich dabei fest, dass auch Lösungen die vielleicht nicht meiner Vorstellung von “das Beste” entsprechen, völlig ausreichend oder sogar besser sind. Das mache ich, weil ich es gerade auch in (m)einer Management-Position (sowohl als Familienmanager bei und mit den eigenen Kids, als auch als Teamleiter, Scrum Master oder Coach in meinem Job) für immer wichtiger halte, andere Menschen an ihren Aufgaben wachsen zu lassen, ihnen vertrauensvoll Verantwortung zu übertragen und ihnen damit einen guten Rahmen für die eigene kontinuierliche Verbesserung und das eigene Wachstum zu geben.
Ich bin davon überzeugt: Vertrauen zu geben ist ein großes Geschenk und es sind nicht die Verhaltensweisen der Anderen, die die eigene Fähigkeit „Vertrauen zu geben“ möglich machen. Es ist eine bewusste eigene Entscheidung, die man immer wieder neu treffen kann. Vertrauen zu schenken bedeutet auch ein gewisser Verlust von Kontrolle, man muss flexibler auf Veränderung reagieren und kann am Anfang nicht den Weg zum Ende vorhersehen. Aber: Mitmenschen mehr Vertrauen entgegenzubringen befreit und motiviert und ermöglicht damit viel größere Dinge.
Zum Abschluss noch eine Artikel-Empfehlung: Marcus Hammarbergs Blog-Beitrag unter dem Titel “Unearned trust” ist aus meiner Sicht sehr lesenswert.