Vom Mythos der guten Führung

Überall wird darüber gesprochen: Es scheint, als wären sich alle einig, dass es sie gibt – die perfekte Führungskraft, die alle Erwartungen erfüllt. Oder zumindest ist man sich einig, dass man ziemlich genau beschreiben kann, wie so jemand aussehen müsste. Seltsam nur, dass die Kritik an Führungskräften nicht abreißt und die Ratschläge, wie man “einfach nur” gut führen müsse, kein Ende finden. Vielleicht liegt das ja daran, dass “gute Führung” einfach ein Mythos ist?

Führung lässt sich in einer immer komplexer und dynamischer werdenden Welt nicht so einfach bewerten und in “gut” und “schlecht” einteilen. Je genauer man hinsieht, desto unwahrscheinlicher wird das Konzept von “guter Führung”. Einfache Urteile greifen zu kurz – sie ignorieren die vielen Facetten von Organisationen und deren ständiger Veränderung. Pauschal bewerten kann man vergessen. Warum also wird dieses unerreichbare Ideal ständig hochgehalten, obwohl es immer wieder scheitert? Und wie ist das eigentlich mit der “Augenhöhe”? Wie viel Augenhöhe kann entstehen, wenn sich immer wieder darauf bezogen wird, wie wichtig die Sonderrolle von Führungskräften für ihre Mitarbeitenden ist und wie viel mehr von ihnen erwartet wird, als von jedem anderen Mitarbeitenden auch?

Die Komplexität der Führungsrolle

Führungskräfte arbeiten in einem komplexen Umfeld und müssen Entscheidungen treffen, die strategische und operative Bedeutung haben. Diese Entscheidungen werden oft unter Unsicherheit getroffen, eingebettet in ein Netz von Wechselwirkungen.

Nehmen wir mal die Einführung neuer Technologien: Einige Mitarbeitende sehen darin eine Chance, andere eine Bedrohung. Die Führungskraft muss nicht nur kurzfristig abwägen, sondern auch die langfristigen Ziele des Unternehmens im Blick behalten – in dem Wissen, dass sie es niemals schaffen wird, alle zufriedenzustellen. Die Vorstellung einer “guten Führung”, die allen Ansprüchen gerecht wird, ist hier schlicht unrealistisch.

Noch ein Beispiel: Ein Unternehmen plant, eine neue Produktionslinie einzuführen. Das steigert die Effizienz, macht aber auch einige Arbeitsplätze überflüssig. Die Führungskraft steckt hier zwischen dem Ziel, langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, und der Verantwortung, kurzfristig Arbeitsplätze zu sichern. Egal, wie sie sich entscheidet – es wird immer Personen geben, die von den Entscheidungen mehr profitieren als andere und nicht selten sind Entscheidungen für etwas schädlich für andere.

Das Dilemma mit den Entscheidungen

Aus psychologischer und systemtheoretischer Sicht ist es nahezu unmöglich, dass es so etwas wie “gute Führung” geben kann, wenn als relevanter Faktor für “gute Führung” die hohe Zufriedenheit mit der Führungskraft im Unternehmen gesehen wird, weil nie alle mit den Entscheidungen zufrieden sein werden. Das Dilemma ist fest in Führung und Entscheidungsfindung verankert.

Führungskräfte stehen regelmäßig vor Situationen, bei denen jede Entscheidung sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich bringt. Ihre Hauptaufgabe ist es, in einem Umfeld der Unsicherheit Entscheidungen zu treffen, oder zu organisieren, dass die notwendigen Entscheidungen getroffen werden. Sie müssen zwischen kurzfristigen und langfristigen Folgen abwägen, zwischen den Interessen verschiedener Stakeholder oder zwischen ethischen und wirtschaftlichen Überlegungen. In diesem Spannungsfeld ist es schlichtweg unmöglich, Entscheidungen zu treffen, die alle als “gut” bewerten.

Hinzu kommt, dass die Dynamik unserer heutigen Zeit dazu führt, dass Entscheidungen häufig unter hohem Zeitdruck und mit unvollständigen Informationen getroffen werden. Was heute als gute Entscheidung erscheint, kann sich morgen als Fehlgriff herausstellen. Die Beurteilung von Führung ist daher ein ständig wechselnder Prozess, der vom jeweiligen Kontext abhängt und der von individuellen Perspektiven immer unterschiedlich bewertet wird.

Psychologische Perspektive

  1. Individuelle Unterschiede: Jeder hat unterschiedliche Bedürfnisse, Werte und Erwartungen, die die Zufriedenheit mit Entscheidungen beeinflussen. Was für die eine Person eine gute Entscheidung ist, kann für eine andere völlig daneben sein. Das beginnt schon bei der Frage, wie viel Mitspracherecht man überhaupt haben sollte oder wollte.
  2. Wahrnehmung von Fairness: Wie fair ein Entscheidungsprozess empfunden wird, ist entscheidend für die individuelle Bewertung von “guter” Führung. Haben Mitarbeitende das Gefühl, dass sie gehört wurden, akzeptieren sie eher auch unpopuläre Entscheidungen. Dabei ist es allerdings nicht immer sinnvoll oder machbar, alle einzubeziehen, auf die Entscheidungen Auswirkungen haben.
  3. Veränderungsresistenz: Menschen stehen in der Regel nicht auf Veränderungen, vor allem, wenn diese Unsicherheit oder Kontrollverlust bedeuten. Und ja, die Aufgabe von Führungskräften ist oft genau das – das Durchsetzen von Veränderungen – mit dem Ergebnis, dass in der Regel einige bis viele unzufrieden sind.
  4. Kognitive Verzerrungen: Entscheidungen werden häufig durch kognitive Verzerrungen beeinflusst, beispielsweise den Bestätigungsfehler (wir sehen, was wir sehen wollen) oder den Anker-Effekt (wir hängen uns an unseren ersten Eindruck). Diese Verzerrungen führen sehr wahrscheinlich immer wieder zu suboptimalen Entscheidungen und beeinflussen, wie Führung wahrgenommen wird.

Diese Beispiele zeigen, warum es unmöglich ist, eine einheitliche Bewertung von “guter Führung” zu finden. Menschen sind schlichtweg zu unterschiedlich. Führung ist ein Balanceakt, bei dem man individuell auf Bedürfnisse eingehen, Fairness vermitteln und den eigenen Denkfehlern entgegentreten muss.

Systemtheoretische Perspektive

  1. Organisationen als komplexe Systeme: Organisationen sind große, vernetzte soziale Systeme. Eine Entscheidung ist wie ein Stein, den man ins Wasser wirft – die Wellen breiten sich in alle Richtungen aus und haben Auswirkungen, die man nicht immer vorhersehen kann. Was in einer Abteilung positive Effekte hat, kann in einer anderen Probleme verursachen.
  2. Unvorhersehbarkeit: Kleine Veränderungen haben manchmal riesige Auswirkungen. Eine scheinbar unbedeutende Entscheidung kann zu unerwarteten Konsequenzen führen, die erst viel später oder an anderer Stelle sichtbar werden. Führungskräfte müssen immer wieder Annahmen treffen, was “richtig” oder “gut” ist.
  3. Selbstorganisation: Organisationen entwickeln oft eine Eigendynamik, die nicht planbar ist. Entscheidungen können durch das System verstärkt, abgeschwächt oder sogar in ganz andere Richtungen gelenkt werden.
  4. Wechselwirkungen mit der Umwelt: Organisationen und ihre Subsysteme wie Teams stehen in ständigem Austausch mit ihrer Umgebung – mit anderen Teams, Kunden, Lieferanten und der Gesellschaft. Führungskräfte müssen diese externen Einflüsse berücksichtigen, was ihre Entscheidungen noch schwieriger macht.
  5. Zeitliche Dimension: Die Auswirkungen von Entscheidungen zeigen sich oft erst nach längerer Zeit. Was heute gut aussieht, kann morgen problematisch sein – oder umgekehrt.
  6. Anpassungsfähigkeit als Schlüssel: In diesem komplexen Umfeld ist die Fähigkeit zur Anpassung entscheidend. Führung bedeutet generell, das System flexibel und reaktionsfähig zu halten, um auf Veränderungen reagieren zu können.

Dieser systemtheoretische Blick zeigt neben den psychologischen Facetten, warum es so schwierig bis unmöglich ist, Führung generell als “gut” oder “schlecht” zu bewerten. Führung in komplexen Systemen ist weniger eine Reihe von richtigen oder falschen Entscheidungen, sondern vielmehr ein ständiger Prozess des Beobachtens, Lernens und Anpassens – “inspect and adapt”, wie es so schön heißt.

Gängige Führungsnarrative kritisch hinterfragt

Neben den psychologischen und systemtheoretischen Aspekten gibt es einige Narrative, die uns immer wieder begegnen, wenn es um Führung geht. Authentizität, Empathie, ständige Erreichbarkeit, Entscheidungsfreude, Integrität und Augenhöhe – das sind häufig genannte Werte, die angeblich “gute” Führungskräfte ausmachen. Aber wie sinnvoll sind diese Ideale wirklich?

Authentizität

Klingt toll, oder? Sei einfach du selbst. Authentizität wird oft als Schlüssel zu effektiver Führung gepriesen. Was aber sind mögliche Kehrseiten? Folgende Aspekte machen es schwierig, Authentizität als generelles Kriterium für gute Führung zu sehen.

  • Kontextabhängigkeit: Was in einem Kontext als authentisch gilt, kann in einem anderen unangemessen sein. Eine Führungskraft, die in jeder Situation “authentisch” bleibt riskiert, in manchen Situationen unangepasst zu handeln.
  • Konflikt mit Rollenerwartungen: Die Erwartungen an eine Führungsrolle können im Widerspruch zu persönlichen Neigungen stehen. Strenge Authentizität könnte hier zu Ineffektivität führen.
  • Übermäßige Transparenz: Zu viel Offenheit kann Vertrauen untergraben, wenn sensible Informationen preisgegeben werden oder persönliche Unsicherheiten die Autorität als Führungskraft schwächen.
  • Starrheit: Ein zu starres Festhalten an “Authentizität” kann Anpassungsfähigkeit und Lernbereitschaft behindern, weil die vermeintliche Authentizität höher gewichtet wird, als individuelle Veränderung.

Empathie

Empathie wird generell als wesentliche Führungsqualität betrachtet. Wenn man diesen Wert genauer betrachtet, gibt es auch hier Einschränkungen, die dazu führen, dass hohe Empathie nicht alleine als Maßstab für gute Führung herhalten kann.

  • Emotionale Erschöpfung: Ständiges Einfühlen in andere kann die Entscheidungsfähigkeit beeinträchtigen und in extremen Fällen zu BurnOut führen.
  • Bevorzugung: Wenn einige Mitarbeitende (zum Beispiel aus mehr oder weniger Sympathie wird das nur schwer zu vermeiden sein) mehr Empathie erfahren als andere, kann das zu ungerechter Behandlung führen.
  • Konfliktvermeidung: Empathische Führungskräfte laufen Gefahr, unangenehme aber notwendige Entscheidungen zu vermeiden, um niemanden zu verletzen.
  • Verlust der Objektivität: Zu viel Empathie kann den Blick für harte Fakten und notwendige Maßnahmen trüben.

Ständige Erreichbarkeit

Das Ideal der ständig erreichbaren Führungskraft birgt erhebliche Probleme und ist kein Garant für gute Führung.

  • Burnout-Risiko: Permanente Verfügbarkeit führt zu Stress und verhindert notwendige Erholungsphasen.
  • Qualitätsverlust: Ständige Unterbrechungen beeinträchtigen die Konzentration und die Qualität der Arbeit.
  • Abhängigkeit: Teams können unselbstständig werden, wenn sie sich zu sehr auf die ständige Verfügbarkeit der Führungskraft verlassen.
  • Vernachlässigung strategischer Aufgaben: Dauererreichbarkeit kann dazu führen, dass wichtige langfristige Aufgaben zugunsten akuter Probleme vernachlässigt werden.

Entscheidungsfreude

Eine der Kernaufgaben von Führungskräften ist, Entscheidungen zu ermöglichen oder zu treffen. Insofern wird Entscheidungsfreude als positive Führungseigenschaft dargestellt. Auch sie hat Schattenseiten.

  • Übereilte Entscheidungen: Schnelle Entscheidungen können auf unzureichenden Informationen basieren und langfristig schaden.
  • Mangelnde Reflexion: Zu viel Entscheidungsfreude kann dazu führen, dass Alternativen nicht ausreichend geprüft werden.
  • Teamfrustration: Wenn Entscheidungen zu schnell und ohne Einbeziehung des Teams getroffen werden, kann dies zu Frustration und mangelnder Akzeptanz führen.
  • Inflexibilität: Entscheidungsfreudige Führungskräfte könnten Schwierigkeiten haben, Entscheidungen zu revidieren, wenn sich Umstände ändern.

Integrität

Eine der immer wieder formulierten Führungsqualitäten ist Integrität. Auch dieses Narrativ hat seine Herausforderungen.

  • Rigidität: Zu starres Festhalten an Prinzipien kann Flexibilität und Anpassungsfähigkeit behindern.
  • Konflikt mit Geschäftsrealitäten: In komplexen Geschäftssituationen können integre Entscheidungen im Widerspruch zu wirtschaftlichen Notwendigkeiten stehen.
  • Überhöhte Erwartungen: Das Streben nach perfekter Integrität kann zu unrealistischen Erwartungen führen.
  • Entscheidungsverzögerungen: Der Wunsch, stets integer zu handeln, kann zu Zögerlichkeit in kritischen Situationen führen.

Augenhöhe

Das mit der Führung auf Augenhöhe klingt erst mal toll, oder? Gleichberechtigte, respektvolle Zusammenarbeit zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden – wer will das nicht? In der Realität gibt es auch in Unternehmen, die mehr auf Selbstorganisation setzen, im Grunde immer ein klares hierarchisches Gefälle (und wenn es nur die Geschäftsführerin selbst ist, die mehr zu sagen hat). Das einfach auszublenden kann unschöne Nebeneffekte haben. Wenn man Augenhöhe überbetont, obwohl die Strukturen etwas anderes sagen, entstehen schnell Probleme.

  • Verwischte Rollen und Verantwortlichkeiten: Wenn Augenhöhe zu stark betont wird, verschwimmen die Hierarchien. Dann weiß keiner mehr so richtig, wer die Entscheidungen trifft. Das Ergebnis? Chaos, Ineffizienz und Frust auf beiden Seiten.
  • Entscheidungshemmung und Führungsvakuum: Wenn jeder bei jeder Entscheidung mitreden soll, kann sich das endlos hinziehen. In Situationen, in denen schnelles Handeln gefragt ist, geht das nach hinten los.
  • Ungleichgewicht bei der Verantwortung: Auch wenn Augenhöhe gepredigt wird, bleibt am Ende doch in vielen Fällen die Führungskraft die Person, die verantwortlich ist. Das führt zu einer Schieflage – Augenhöhe ja, aber ohne das Risiko teilen zu müssen? Das wird auf Dauer nicht funktionieren.
  • Konfliktvermeidung und fehlende Kritikfähigkeit: Wenn immer auf Augenhöhe kommuniziert wird, kann das zur Vermeidung von Konflikten führen und das bremst die Entwicklung des Teams und der Organisation. Konstruktive Kritik bleibt auf der Strecke.
  • Autoritätsverlust: Eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe kann zu Autoritätsverlust führen. In Krisensituationen, in denen schnelle, gemeinsam orientiert Entscheidungen gefordert sind, kann das problematisch werden.
  • Überforderung der Mitarbeitenden: Nicht jeder will oder kann auf Augenhöhe agieren. Manche wünschen sich klare Ansagen und Strukturen. Wird in dieser Situation (einseitig) auf Augenhöhe gesetzt, kann das zu Verunsicherung und Überforderung führen.
  • Mangelnde Anerkennung von Expertise: Führungskräfte sind häufig in ihrer Position, weil sie mehr Erfahrung oder Wissen haben als andere. Wenn man Augenhöhe übertreibt, geht das unter und das schadet der ganzen Organisation.

Augenhöhe klingt gut, ist aber in der Praxis nicht so leicht umzusetzen. Ein durchaus respektvoller Umgang ist selbstverständlich, kritisch darf und muss er dabei bleiben. Das setzt Streitbereitschaft und Konfliktfähigkeit bei allen Beteiligten voraus. Wenn man es mit Augenhöhe übertreibt, kann das nach hinten losgehen. Es braucht einen realistischen Ansatz, der bestehenden Hierarchien nicht ausblendet, sondern anerkennt und flexibel auf Situationen reagieren kann.

Wenn man sich die gängigen Führungsnarrative genauer anschaut wird schnell klar, dass die idealisierten Vorstellungen oft völlig unrealistische Erwartungen schüren. Klar, Authentizität, Empathie, ständige Erreichbarkeit, Entscheidungsfreude, Integrität und Augenhöhe klingen alle gut – und sie haben auch ihren Platz. Wenn man es damit aber übertreibt, kann es schnell problematisch werden.

Führungskräfte sollten sich bewusst machen, dass jeder dieser positiv bewerteten Punkte auch seine Schattenseiten hat und in bestimmten Situationen sogar schädlich sein kann. Anstatt stur irgendwelchen Idealen hinterherzurennen ist es viel wichtiger, flexibel zu bleiben und die Dinge reflektiert anzugehen, um die ständig wechselnden Anforderungen in modernen Organisationen zu meistern.

Effektive statt gute Führung

Führung in der komplexen, dynamischen Welt von heute lässt sich nicht einfach als “gut” oder “schlecht” bewerten. Das Streben nach dem Ideal der “guten Führungskraft” kann entmutigend und unrealistisch sein. Stattdessen sollten wir uns auf effektive Führung konzentrieren – eine Führung, die im Sinne der Organisation wirkt und sich den ständig ändernden Herausforderungen anpasst.

Effektive Führung bedeutet, Entscheidungen zu treffen oder zu ermöglichen, die der Organisation dienen. Schon das ist oft mit Widersprüchen gespickt, weil balanciert werden muss zwischen steuerndem und das System erhaltendem Management und Führung in Veränderung. Dabei ist es unvermeidlich, dass nicht alle Beteiligten mit jeder Entscheidung zufrieden sein werden. Das ist normal und kein Zeichen von Versagen.

Führungskräfte agieren in einem Netzwerk von Wechselwirkungen und müssen oft unter Unsicherheit entscheiden. Sie balancieren zwischen kurzfristigen Bedürfnissen und langfristigen Zielen, zwischen individuellen Wünschen und organisationalen Notwendigkeiten. Diese Komplexität macht “perfekte” Lösungen unmöglich, eröffnet dafür aber Raum für kreative und anpassungsfähige Ansätze und Gestaltung.

Gängige Führungsnarrative wie Authentizität, Empathie, ständige Erreichbarkeit, Entscheidungsfreude, Integrität und Augenhöhe haben ihre Berechtigung, sollten aber nicht als absolute Maßstäbe verstanden werden. Jeder dieser Aspekte hat seine Grenzen und muss situativ ausgeprägt eingesetzt werden:

  • Authentizität ist wichtig, muss aber mit notwendiger Rollenanpassung balanciert werden.
  • Empathie verbessert das Arbeitsklima, darf aber nicht zu Lasten objektiver Entscheidungen gehen.
  • Erreichbarkeit ist wertvoll, sollte aber nicht auf Kosten der eigenen Effektivität und Erholung gehen.
  • Entscheidungsfreude ist nötig, muss aber mit sorgfältiger Abwägung einhergehen.
  • Integrität ist essenziell, sollte aber nicht zu Inflexibilität führen.
  • Augenhöhe ist erstrebenswert, muss aber mit der Realität hierarchischer Strukturen und klarer Verantwortlichkeiten in Einklang gebracht werden.

Effektive Führung bedeutet, diese Aspekte situativ und kontextabhängig auszugestalten. Es geht um eine Balance zwischen den positiven Aspekten der Ideale und den Anforderungen in konkreten Situationen in der Organisation. Es geht mehr darum, die Organisation voranzubringen, als einem idealisierten Bild zu entsprechen – Respekt und Wertschätzung für alle Mitarbeitenden (egal ob in Führungsverantwortung oder nicht), bei gleichzeitiger Klarheit in Bezug auf Strukturen, Rollen und Entscheidungsprozesse und der Fähigkeit, im Sinne der Organisation selbst in Führung zu gehen oder auch Führung zuzulassen.

Die gute Nachricht zum Schluss

Führungskräfte sollten sich von dem Druck befreien, perfekt sein zu müssen. Stattdessen ist es wichtig, reflektiert, anpassungsfähig und lernbereit zu sein. Effektive Führung ist weder immer gut, noch generell schlecht. Es geht nicht um “gute Führung” im Sinne einer alle zufrieden stellenden konfliktbefreiten Harmonie, in der es allen Recht gemacht wird. Führung ist ein kontinuierlicher Prozess von Beobachten, Bewerten, Handeln, Lernen, Anpassen und Verbessern, für die Organisation im respektvollen Dialog mit den Mitarbeitenden.

Mut zur Führung (und das gilt ganz unabhängig von der Rolle) bedeutet, Verantwortung zu übernehmen, auch wenn nicht alle Entscheidungen auf Zustimmung stoßen. Das beginnt bei Selbstführung im Sinne von Übernahme von Verantwortung für eigene Entscheidungen und endet bei der Übernahme von Verantwortung für Entscheidungen, die Auswirkungen auf ein größeres Umfeld in der Organisation haben. Organisationen brauchen das, um vorwärts zu kommen. Es bedeutet, im Sinne der Organisation zu handeln. Hilfreich ist dabei eine transparente Kommunikation in einem Umfeld, in dem sich die Menschen gegenseitig vertrauen – das gelingt mal schlechter und hoffentlich immer öfter immer besser.

Letztendlich geht es nicht darum, eine “gute Führungskraft” zu sein, sondern darum, effektiv im Interesse der Organisation zu führen. Das erfordert Flexibilität, Reflexionsfähigkeit sowie den Mut und die Kraft, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen, wenn sie dem größeren Ganzen in der Organisation dienen.

(Das Bild ist mit FluxPro generiert.)

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