Wir denken wir wüssten, was unser Kunde will, aber wir wissen es nicht. Wir können Marktstudien betrachten, Mitbewerberanalysen machen, wir können Best Practices Anderer analysieren und eigene Theorien aufstellen und alle Erfahrung die wir haben für die beste Lösung in den Ring werfen.
Das alles reicht aber nicht aus, weil wir es nicht wissen. Wir wissen nicht, was unser Kunde will. Wenn wir recherchieren, dann wissen wir, was unser Kunde aktuell benutzt und wenn wir noch mehr recherchieren, dann können wir auf Basis der Ergebnisse vielleicht interpretieren, warum er es benutzt und davon ableiten, was er vielleicht brauchen könnte. Aber wir wissen nicht, ob unsere Annahmen stimmen. Fragen können wir unsere Kunden auch nicht wirklich. Sie sind gefangen in ihren Erfahrungen und ihren bisherigen Möglichkeiten, haben Schwierigkeiten, sich etwas wirklich Neues vorzustellen, etwas, das außerhalb des gelernten Rahmens liegt. Unsere Kunden wissen also auch nicht, was sie wirklich brauchen (könnten).
Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt schnellere Pferde.Henry Ford
Oder auch: Wenn die Menschen heute befragt werden, was sie von einem Automobil der Zukunft erwarten, wir das Dilemma deutlich. Das Ergebnis einer Studie aus dem Jahr 2011 war: Ein sicheres, kosteneffizientes und umweltfreundliches Auto.
Nun redet die ganze Welt von Tesla. Und ja, Tesla ist (hoffentlich) ausreichend sicher und durch Elektroantrieb irgendwie auch umweltfreundlich. Aber bei der Höhe des Anschaffungspreises aktuell sicherlich nicht Gesamtkosteneffizient. Und Tesla wird auch nicht erfolgreich, weil benannte oder bekannte Kundenbedürfnisse erfüllt werden, sondern weil Tesla viel weiter und andere Wege, beispielsweise Software-Updates einfach einspielt und Kunden damit neue Funktionen (zum Beispiel einen Autopiloten) wie ein Update auf dem Handy einfach zur Verfügung stellt.
Aber ist es wirklich das, was die Menschen brauchen? Oder müsste eigentlich das ganze Thema “Mobilität” anders gedacht werden? Brauchen Menschen zukünftig überhaupt Autos und wenn ja, wofür und in welchem Umfang? Oder brauchen wir öffentlichen Nahverkehr, der über Autos hinweg fährt?
Noch ein Beispiel: Wenn Steve Jobs auf die Handy-Bedürfnisse der Kunden zum Start seines iPhones gehört hätte, dann hätte er ein Mobiltelefon bauen müssen, das möglichst klein und leicht ist und eine möglichst lange Akkulaufzeit hat. Das iPhone bot etwas ganz Neues und erfüllte keinen der beiden Wünsche, dafür andere, von denen die ganze Menschheit noch nicht wusste, dass sie es haben will. Und Google? Wenn Google damals überlegt hätte, bestehende Internetkataloge wie Yahoo und Lycos mit gleichen Mitteln zu übertreffen, wäre das Unternehmen heute sicher nicht das größte Internetunternehmen der Welt.
Die Firma, die jetzt mit dem Spiel Angry Birds größte Erfolge feiert, hat vorher 51 andere Spiele entwickelt und ausprobiert, ohne ausreichenden Erfolg, im Gegenteil – sie war fast pleite. Dabei gab es sehr wahrscheinlich viele Studien, Analysen und Überlegungen, welche Spiele erfolgreich sein könnten und diese sind sicher auch in den Überlegungen zu ihrem erfolgreichsten Spiel berücksichtigt worden. Welcher Kunde hätte wohl bei einer Befragung den Wunsch nach einem Spiel geäußert, in dem man mit einer Schleuder Vögel auf Bauwerke schießt, um damit Schweine zu erschlagen?
Weil wir nicht wissen, was unsere Kunden wollen und brauchen und womit wir erfolgreich sein können, weil die Antworten auf direkte Fragen nicht immer zielführend sind, weil wir neue Märkte erschließen im Kleinen wie im Großen, müssen wir ausprobieren, experimentieren und uns die Möglichkeit geben, aus Fehlschlägen – die wir vermeiden wollen und möglichst vermeiden sollten, die dennoch unweigerlich kommen werden – zu lernen. Um das Risiko und die Kosten dieser Fehlschläge zu reduzieren, sollte das Ausprobieren ausreichend gut überlegt (Analysen, Befragungen, Tests) sein und möglichst kleinteilig erfolgen, um sowohl die Aufwände für die Überlegungen, als auch die Kosten bei Fehlschlägen zu reduzieren und dennoch frei nach dem Motto zu handeln: Probieren geht über studieren.
(Das verwendete Titelbild ist von Véronique Debord-Lazaro, das Bild innerhalb des Artikel ist von Anna Vital – vielen Dank!)