Obst und Gemüse auf Holztisch

Wir brauchen mehr Leistung!

Auf lange Sicht ist Leistung wichtiger als Erfolg, denn Leistung ist planbar – Erfolg nicht. In jedem Spiel, in jedem Projekt, in jedem Vorhaben gibt es Zufälligkeiten, die den Ausgang beeinflussen. Leistung bleibt eine Konstante, auf die man aufbauen kann.

Zu diesem Beitrag hat mich eine Fernsehserie inspiriert, die zeigt, wie individuelle Leistungen die Gesamtleistung eines Teams und den Erfolg eines Projekts beeinflussen. Die Serie beleuchtet positive Aspekte sowie Schattenseiten und verdeutlicht den Einfluss von Führung. Im Gegensatz zur Serie “Ted Lasso” handelt es sich nicht um Sport, sondern um einen anderen Arbeitskontext, in dem klare Führung und hohe Leistung entscheidend sind. Mehr dazu am Ende des Beitrags.

Der Leistungsbegriff steht in der Kritik

Der Leistungsbegriff ist in der modernen Arbeitswelt problematisch und potenziell schädlich. Fokussierung auf Leistung ignoriert die Komplexität kreativer und wissensbasierter Arbeit und führt zu einer belastenden Arbeitskultur. Der ständige Druck, immer mehr in kürzerer Zeit zu leisten, resultiert in Überarbeitung. Da Leistung den Fokus auf Quantität statt auf wertvolle Ergebnisse legt, verhindert sie Innovation und Qualität. Zudem fördert Fokussierung auf Leistung ein ungesundes Konkurrenzdenken, das Teamarbeit und kollaborative Prozesse untergräbt. Sie basiert auf der Annahme, dass Menschen primär durch externe Faktoren wie Druck oder materielle Anreize zu Leistung gebracht werden müssen. Kurzfristige messbare Ergebnisse werden wichtiger als nachhaltiges Wirtschaften. Leistung schafft ein Arbeitsumfeld, das psychische Gesundheit gefährdet, echte Innovation behindert und letztlich die langfristige Zufriedenheit der Mitarbeitenden sowie den nachhaltigen Erfolg von Unternehmen beeinträchtigt. Oder?

Mein persönlicher Eindruck

Leistung muss sich wieder lohnen. Mit diesem Slogan trat Helmut Kohl 1982 in seiner Kandidatur zum Bundeskanzler an. Es folgten 16 Jahre CDU/CSU/FDP-Koalition unter Kohl, der damit die bisher längste Amtszeit als Bundeskanzler innehatte. Unabhängig von meiner politisch anderen Ausrichtung denke ich rund 40 Jahre später, dass es an der Zeit ist, diesen Slogan umzukehren: Keine (oder schlechte) Leistung darf sich nicht mehr lohnen. Du findest das provokativ? Gut, lies gerne weiter.

Mein Eindruck ist, dass wir mit manchen Ideen im Kontext von New Work und Agilität das Ziel verfehlen. Oft führt unser vermeintlich positives Menschenbild zu unerwünschten Ergebnissen wenn wir versuchen, mit neuen Ansätzen vergangene Modelle zu verbessern und beispielsweise dieser Kritik bezüglich Leistung zu begegnen. Es kommt immer wieder vor, dass wir dabei übersehen, dass Vergangenes einen Zweck hatte, auf den das Neue möglicherweise keine adäquate Antwort bietet. Dass wir nicht neu gestalten, sondern altes vermeintlich Antiquiertes durch etwas anderes ersetzen wollen. Das zeigt sich für mich auch im Begriff Leistung. Vielleicht ist aber Leistung gar nicht das Problem? Vielleicht muss die Forderung von Leistung von Arbeitskräften gar nicht verteufelt und aus dem Fokus genommen werden. Aus meiner Sicht ist es viel besser, weiter hohe Leistung zu fordern und auf hohe Leistung zu setzen, gleichzeitig das Verständnis von Leistung aber der modernen Arbeitswelt anzupassen.

Deswegen sage ich: Wir brauchen mehr Leistung!

Leistung in komplexen Arbeitsumgebungen

In der Physik ist Leistung der Quotient aus verrichteter Arbeit und der dafür benötigten Zeit. Diese Definition passt in ein mechanistisches Weltbild, in dem Wertschöpfung durch Fließbandarbeit erfolgt und Unternehmen als Maschinen, statt als lebende Organisationen und soziale Systeme aus Menschen und Kommunikation gesehen werden. Für Wissens- und Kreativberufe ist dieses Leistungsverständnis aus meiner Sicht längst überholt. Die alten Maßstäbe greifen nicht mehr, denn Leistung lässt sich in modernen Arbeitskontexten nicht ausschließlich an der Menge der in einer bestimmten Zeit erledigten Arbeit messen. So kann beispielsweise die kreative Idee für ein Produkt, das ein Unternehmen weiterhin wirtschaftlich erfolgreich sein lässt, in wenigen Sekunden unter der Dusche entstehen.

Durch eine fixe Berechnung von Arbeit geteilt durch Zeit entsteht schnell hoher Druck: Der Anspruch ist hier meist, immer mehr Arbeit in gleicher Zeit erledigen zu müssen. Mit Zeitdruck geht nicht selten die Angst einher, die Erwartungen in der verfügbaren Zeit nicht zu erfüllen, langsamer zu sein als andere und letztendlich zu scheitern. Dieser Rahmen ist allerdings kontraproduktiv für kreatives Arbeiten. Auch wenn Zeitdruck teilweise motivierend wirken und Konzentration fördern kann, beeinträchtigt er Kreativität, weil er den Fokus verengt und das Entstehen und Reifen von Ideen verhindert. Hinzu kommt, dass er analytisches statt assoziatives Denken fördert und Stress erzeugt, der kreative Prozesse blockiert.

Anstelle dieser fixen Berechnung müssen wir Leistung in modernen Unternehmen anders verstehen. In einer komplexen Arbeitswelt muss äußerer Leistungsdruck durch inneren Antrieb ersetzt werden. Wir müssen unsere Sicht auf Menschen in Unternehmen mehr zu Theorie-Y verschieben und haben das an vielen Stellen bereits getan. (Zur Erinnerung: Die Theorie X und Y von Douglas McGregor stellt zwei diametral entgegengesetzte Menschenbilder dar. Der Theorie X zufolge sind Menschen von Natur aus faul und müssen von außen motiviert werden, während die Theorie Y davon ausgeht, dass Menschen intrinsisch motiviert und leistungsbereit sind.) Auch wenn klar ist, dass die beiden Pole X und Y nicht nur schwarz-weiß existieren und beides in allen Menschen situationsabhängig vorkommen kann, können und müssen wir generell davon ausgehen, dass Menschen grundsätzlich leistungsbereit sind. Nur dürfen hierbei die Überlegungen nicht aufhören. Denn nur weil generelle Leistungsbereitschaft unterstellt werden kann, bedeutet das nicht automatisch eine hohe Leistung. Wäre das so, müssten die oft beschworenen Hochleistungsteams mehr Regel als Ausnahme sein. Ich nehme das aber eher anders herum wahr. Ein Grund hierfür meiner Erfahrung nach: Fehlende Leistungsorientierung.

Ein neues Verständnis von Leistung

Wenn Leistung in modernen Unternehmen nicht einfach die Menge der Arbeit ist, die in einer bestimmten Zeit erledigt wird, wie können wir dann ein zeitgemäßes Verständnis von Leistung formulieren? Aus meiner Sicht lässt sich Leistung heute besser beschreiben als der innere Antrieb, das eigene Potenzial voll auszuschöpfen und den Raum dieses Potenzials immer weiter zu vergrößern. Hohe Leistung bedeutet also, sich der eigenen Stärken bewusst zu sein, sie voll auszuschöpfen und dabei kontinuierlich über sich selbst hinauszuwachsen. Das bedeutet zwingend auch kontinuierliches reflektieren und lernen.

Die Bedeutung des inneren Antriebs und externer Motivation

Der innere Antrieb ist der Schlüssel zu hoher Leistung. Motivation ist dabei nicht statisch, also weder nur intrinsisch noch nur extrinsisch getrieben. Sie kann sowohl von innen kommen, als auch durch äußere Faktoren beeinflusst werden. Motivation kann also für jeden Einzelnen völlige verschiedene Formen annehmen – von persönlicher Erfüllung und Arbeitsfreude bis hin zu externen Anreizen wie Gehalt oder Anerkennung. Was es auch ist, die eigene Motivation (oder der innere Antrieb) ist Grundlage für hohe Leistung. Wer sich nicht motivieren kann, wird weder das eigene Potenzial voll ausschöpfen, noch über sich hinauswachsen. Führungskräfte müssen keinen Druck ausüben, sondern können unterstützen, indem sie den individuellen Antrieb ihrer Mitarbeitenden erkennen und sie unterstützen. Ihr Ziel sollte es sein, ein Umfeld zu gestalten, das Motivation fördert und dafür möglichst viel von dem abschaffen, was zu Demotivation führt.

Eigenes Können und kontinuierliche Entwicklung

Hohe Leistung erfordert neben Motivation auch ausgeprägtes Können. Könnerschaft entsteht nicht maßgeblich durch Talent, sondern durch beständiges Üben und Weiterentwicklung. Für die Motivation zur Weiterentwicklung sind Aufgaben wichtig, die Freude bereiten und bei denen Erfolge sichtbar werden. Ein leistungsstarkes Umfeld sollte eine gesunde Balance zwischen gut beherrschten Aufgaben und machbaren Herausforderungen bieten. Diese Balance fördert nicht nur eine kontinuierliche Verbesserung, sondern trägt wesentlich zur langfristigen Zufriedenheit bei. Die Entwicklung eigener Fähigkeiten durch regelmäßiges Üben und das Streben nach Verbesserung sind zentrale Elemente für das Erreichen und Aufrechterhalten hoher individueller Leistung.

Widerstandsfähigkeit als oft übersehener Leistungsfaktor

Ein oft übersehener aber wesentlicher Aspekt bei dieser Betrachtung von Leistung ist Widerstandsfähigkeit – die Fähigkeit, mit Rückschlägen und Enttäuschungen umzugehen, ohne die Motivation und den Antrieb zu verlieren. Spitzenleistung ist kein Selbstläufer. Sie erfordert Disziplin und die Bereitschaft, trotz Widrigkeiten weiterzumachen. Das gilt besonders in komplexen Arbeitsumgebungen und bei Teamarbeit, da hier die Ergebnisse nicht immer ausschließlich von eigener Leistung abhängen und Unvorhergesehenes Steine in den Weg legen kann. Die Fähigkeit, Rückschläge zu verkraften und daraus zu lernen, ist entscheidend für anhaltend hohe Leistung. Führungskräfte sollten daher auch Strategien entwickeln, um die Resilienz ihrer Teams zu stärken – beispielsweise durch gezieltes Coaching oder Mentoring und den Aufbau einer dem beschriebenen Leistungsbild entsprechenden Teamkultur.

Leistung: Outcome statt Output

Leistung sollte heute in Kreativ- und Wissensberufen nicht (mehr) am „Output“ – also wie viel Arbeit in möglichst kurzer Zeit erledigt wurde – gemessen werden. Stattdessen geht es um „Outcome“ – also um bestmögliche Ergebnisse, indem man das eigene Potenzial erkennt und ausschöpft. Der Fokus auf Outcome statt Output bedeutet, dass es nicht mehr nur darum geht, möglichst viel, sondern möglichst sinnvoll und effektiv zu arbeiten. Die Ergebnisse sollten zweckdienlich und qualitativ hochwertig sein, und der Arbeitsprozess sollte Raum für Lernen und persönlichen Wachstum bieten.

Warum der Fokus auf Leistung wichtig bleibt

Leistung ist ein Begriff, der oft negativ konnotiert wird, weil er mit Überarbeitung bis hin zu BurnOut, Effizienzsteigerung bis zur Erschöpfung und Konkurrenzdenken assoziiert wird. Doch Leistung ist mehr als das. In der Psychologie wird Leistung als der Wert definiert, der durch den Einsatz verfügbarer Fähigkeiten geschaffenen wird – also durch das Erreichen eines Ziels auf einem bestimmten Niveau. Dieses Verständnis von Leistung betont das kreative und persönliche Potenzial, das jeder Mensch in sich trägt. Es geht nicht darum, im Vergleich zu anderen besser zu sein, sondern darum, das Beste aus sich selbst herauszuholen oder zu machen.

Leistung in Teams: Die Kraft kollektiver Anstrengung

In heutigen Arbeitsumfeldern mit Kreativarbeitenden entsteht Wert häufig durch Arbeit in Teams. Mangelnde Leistungsbereitschaft einzelner Mitarbeitenden kann das gesamte Team nach unten ziehen. Ohne kontinuierlich hohe Leistung anzustreben neigen solche Teams dazu, weniger effizient zu arbeiten und ihre Prozesse nicht zu optimieren. Dies führt oft dazu, dass sie in gewohnten Denkmustern verharren und keine innovative Lösungen entwickeln. Der Teamgeist wird geschwächt, weil Mitglieder weniger Verantwortung für das Gesamtergebnis übernehmen und sich eher auf individuelle Aufgaben konzentrieren. Hinzu kommt, dass solche Teams oft weniger anpassungsfähig und flexibel sind, sich weniger neuen Herausforderungen stellen und in ihren eigenen Funktionsbereichen verhaftet bleiben, anstatt funktionsübergreifend zu denken. Individuelle Leistung ist also auch in Teams wichtig. Dynamik in Hochleistungsteams entsteht oft durch den positiven Einfluss einzelner leistungsstarker Mitarbeitenden, die andere inspirieren und motivieren, (auch) ihr Bestes zu geben. Ein kollektiver Leistungsanspruch schafft eine Kultur der Exzellenz, in der alle Mitglieder wachsen und individuell erfolgreich sein wollen, sind oder werden.

Zufriedene Mitarbeitende durch hohe Leistung

Mitarbeitende in Teams mit hohem Leistungsanspruch weisen oft eine höhere Arbeitszufriedenheit auf. Diese Teams zeichnen sich nicht durch Konfliktfreiheit aus, sondern durch einen klaren Fokus auf gemeinsame, als sinnvoll empfundene Ziele und das Streben nach persönlicher Exzellenz. Geht man nach der Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan aus dem Jahr 2000, entsteht Zufriedenheit, wenn grundlegende psychologische Bedürfnisse wie Autonomie und Kompetenzerleben – also das subjektive Gefühl, fähig und effektiv zu sein – erfüllt werden. Dies geschieht, wenn Mitarbeitende das Gefühl haben, ihr Bestes gegeben zu haben und dies selbst erkennen – nicht primär durch externe Anerkennung, sondern durch die eigene Wahrnehmung von Wert und der eigenen Leistung. So wahrgenommene erfolgreiche Leistung stärkt den Glauben an eigene Fähigkeiten und erhöht Motivation und Zufriedenheit. In der Folge entsteht durch hohe Leistung eine sich selbst verstärkende positive Spirale, die die Wahrscheinlichkeit für persönliche und gemeinsame Erfolge erhöht und somit langfristig zur Arbeitszufriedenheit beiträgt.

Unternehmerisches Denken und hohe Leistung

In modernen Arbeitsumgebungen, die Ideen aus New Work und Agilität umsetzen, wird das Theorie-Y Menschenbild von McGregor häufig als Grundlage angenommen. Dabei wird dieses Menschenbild oft fälschlicherweise so interpretiert, dass jeder Mitarbeitende Leistung bringt und unternehmerisch denkt und handelt. Tatsächlich bedeutet aber das Erkennen und Entfalten des eigenen Potenzials nicht zwangsläufig unternehmerisches Handeln. Menschen sind besonders leistungsfähig, wenn ihre Fähigkeiten in ihrem Umfeld anerkannt werden und sie Ressourcen bekommen und ein hohes Maß an Autonomie gewährt wird. Hohe Leistung erfordert die Möglichkeit, das eigene Potenzial in der jeweiligen Rolle bestmöglich zu nutzen – durch kontinuierliches Lernen, Anpassungsfähigkeit und Streben nach Exzellenz. Die konkrete Ausgestaltung hängt stark von der individuellen Rolle, den persönlichen Stärken und dem Arbeitsumfeld ab. Nicht jeder muss unternehmerische Eigenschaften besitzen, aber jeder kann hohe Leistung bringen, wenn der innere Antrieb da ist und das Umfeld die richtigen Werkzeuge, Unterstützung und Autonomie bietet, durch die jeder Mitarbeitende das eigene Potenzial voll ausschöpfen kann.

Inspiration und Ausblick

Im folgenden Beitrag gehe ich mehr darauf ein, was das für Führung und Führungskräfte bedeutet und wie sie Leistung und Leistungsorientierung in Unternehmen fördern können, zum Wohle der Mitarbeitenden, Teams und Unternehmen.

Zu diesem Beitrag inspiriert hat mich die Fernsehserie “The Bear: King of the Kitchen“. Wer sich den Zusammenhang aus Team, Führung und individueller sowie gemeinsamer Leistung mit vielen Vor- und Nachteilen sehr unterhaltsam anschauen möchte, dem lege ich diese Serie sehr ans Herz.

“The Bear” handelt von einem Sternekoch aus Chicago, der den Sandwichladen “The Beef” seines Bruders übernimmt. Er steht vor einem Scherbenhaufen, geht früh in klare aber nicht dominante Führung, ohne dabei wie eine typische Führungskraft zu wirken, und macht aus dem Scherbenhaufen das (Achtung Spoiler) Sternelokal “The Bear”. Unterstützt wird er dabei durch die hohe Leistung des bestehenden Teams und weiterer Menschen.

(Das Bild ist von Lukas Bieri auf Pixabay)

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